Die Berechnung des Alltags

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Inhalt
Vilma Veierød, Klavierlehrerin aus Oslo, hat sich ans Alleinsein gewöhnt und sich in ihrem Leben damit eingerichtet. Eines Tages erhält sie die überraschende Nachricht, dass ihr Vater, den sie nie kennengelernt hat, auf dem Weg zu ihr verstorben ist. Er hinterlässt ihr einen Stapel Briefe, von denen sie täglich einen lesen soll. Währenddessen fordern ihr jüngster Schüler Amdi und der Pathologe mit Tourette-Syndrom Robert sie in ihrem Alltag heraus. Vilma muss sich und ihr gesamtes Leben neu überdenken. Und das war längst überfällig.

Meinung
Skretting hat eine sehr gute Grundidee erdacht, die aber leider stark konstruiert daherkommt und daher feinsinnige Nuancen vermissen lässt. Bis zum Ende bleibt unklar, ob Vilma Asperger hat oder einfach durch ihre Kindheitserlebnisse etwas eigen geworden ist. Mit fünfunddreißig benimmt sie sich auch reichlich albern, als der gutaussehende Pfarrer Ivar und der Pathologe Robert bei ihr klingeln. Mit den Neuigkeiten vermag sie nicht viel anzufangen, denn ein Vater hat in ihrem Leben bisher keine Rolle gespielt. Obwohl Vilma mit beiden Beinen im Leben steht, benimmt sie sich wie ein Teenager, als sie beschließt, sich Ivar zu angeln. Dabei entgeht ihr natürlich, dass auch Robert, obwohl mit Tourette geschlagen, ein guter Fang wäre – nur eben nicht so gutaussehend. Roberts Darstellung war leider oft mehr als überzogen, besonders wenn er völlig unpassend diverse Schimpfworte in die Szenerie rief. Das sollte wohl für humorige Momente sorgen, hat bei mir jedoch für das genaue Gegenteil gesorgt.
Die Geschichte rund um die Eltern ist kurz erzählt, wird jedoch leider enorm aufgebläht, was leider für ein paar Längen sorgt, da schnell erraten ist, wie sich alles gefügt hat. Zu betonen ist, dass der Roman generell eine eher deprimierende, traurige Grundstimmung besitzt und leider nicht heiter daherkommt bzw. seine Stimmung wechselt. Das muss man als Leser abkönnen. Es soll wohl schwarzhumorig mit Einschlag Nightmare wirken, immer mal wieder aufgelockert durch Situationskomik.
„Vilma zählt die Liebe rückwärts“ ist speziell und entweder es gefällt oder eben nicht. Es liest sich gut weg, wenn es manchmal etwas zäh ist, was sich aber schnell überlesen lässt. Vilma ist eine sympathische Heldin, die gern ein bisschen stärker aus ihrer traurigen Grundstimmung hätte herauskommen dürfen. Sie etwas jünger zu machen, hätte indes ebenfalls nicht geschadet. Es gibt ein Happy End, eine typische Liebesgeschichte ist es aber nicht. Für alle, die genau danach suchen, ist der Roman absolut empfehlenswert. Alle anderen unbedingt in die Leseprobe reinschauen.