Ein warmherziges Buch über eine starke Frau

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waldeule Avatar

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„Violet“ ist ein sehr schönes, warmherziges und weitgehend stilles Buch, das aber im Laufe der Zeit eine große Kraft entwickelt, genauso wie die titelgebende Protagonistin.

Die Autorin nimmt uns mit in das England der 30er Jahre und sie lässt uns – genauso wie ihrer Figur – viel Zeit, uns in Winchester einzufinden. Wir lernen Violet kennen, eine nicht mehr ganz so junge Frau, die auch Jahre nach dem 1. Weltkrieg unter den dadurch erlittenen Verlusten leidet. Und die sich aufmacht, ihr eigenes Leben zu entdecken. Durch ihre Augen erkunden wir die eindrucksvolle Kathedrale von Winchester, lernen die laute Kunst des Glockenläutens und die stille Kunst des Stickens kennen. Dabei wird erfreulich wenig doziert, dafür viel erlebt.

Als LeserIn muss man sich einlassen können auf die ruhige Erzählweise und die Liebe zum Detail. Ich mochte diesen atmosphärischen Schreibstil sehr gern, ich fand ihn angenehm, ja fast meditativ, perfekt zum Abschalten. Als es dann im hinteren Teil des Buches in Violets Leben turbulent wird, war ich über diese „Störungen“ zunächst gar nicht so glücklich, da sie den geruhsamen Lesefluss unterbrachen. Bis dann die Neugierde auf die neuen Erlebnisse Violets überwog.

Tracy Chevalier erzählt über das schwierige Leben alleinstehender Frauen in einer Gesellschaft, in der alles auf die Institution Ehe ausgerichtet ist. Überhaupt schafft es die Autorin, ganz nebenbei viele historische Themen einzuarbeiten, ohne dass das Buch überladen wirkt. Die vorkommenden „Winchester Borderinnen“ unter der Leitung von Louisa Pesel mit ihren bis heute überdauernden Stickkunstwerken gab es übrigens tatsächlich. Ich finde es immer toll, wenn liebenswerte und interessante Details der Geschichte literarisch aufgegriffen werden.

Violet ist eine tolle Protagonistin, sie ist keine Heldin, sondern eine ganz normale Frau, die mit vielen Hindernissen zu kämpfen hat. Aber sie findet und geht ihren Weg, was sehr behutsam geschildert wird. Das hat mir sehr gut gefallen, denn so ist es sehr glaubhaft für ihre Zeit. Einzig ihre Gefühle, die man zwar durchaus zwischen den Zeilen lesen kann, hätte ich gern direkter und stärker miterlebt.

Fazit: Ein wunderschönes, stilles Buch mit einer sehr starken Frau, die ihren ganz persönlichen Weg findet. Ganz klar fünf Sterne von mir.