Sanfte Emanzipation

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raschke64 Avatar

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Violet ist Mitte 30 und lebt bei ihrer Mutter. Ihr Verlobter ist im ersten Weltkrieg gestorben und sie trauert ihm nach den vielen Jahren immer noch nach. Mit ihrer Mutter versteht sie sich sehr schlecht, denn diese ist nach dem Tod ihres Sohnes und ihres Mannes ebenfalls in Trauer, gleichzeitig aber auch sehr herrisch und tyrannisch. Violet beschließt, in die nächste Stadt zu ziehen und dort eine Arbeit anzunehmen und allein zu leben. Das ist nicht leicht in der damaligen Zeit und erst langsam schließt sie Bekanntschaften. Zufällig gerät sie in der Kathedrale in Winchester an eine Gruppe von Frauen, die dort Kissen für die Kathedrale stickt. Sie schließt sich der Gemeinschaft an und lernt so nach und nach, immer selbstständiger zu werden.

Das Buch hat mir gut gefallen. Es zeichnet sehr deutlich die Rolle der Frau in den 1930er Jahren in England nach. Entweder sie sind verheiratet oder sie werden alte Jungfern, dazwischen gibt es nur wenig. Es ist auch unüblich, dass eine Frau ihren Unterhalt allein verdient. Sie haben nur sehr eng begrenzte Möglichkeiten. Violett ist sehr sympathisch, sie ist keine Rebellin, sondern versucht erst nach und nach, selbstständiger zu werden und sich auch zu emanzipieren. Das alles ist gut und einfühlsam geschrieben. Mir hat auch sehr gut gefallen, dass das Buch kein übliches Frauenbuch ist, bei dem am Ende sich alles in Wohlgefallen auflöst. Hier ist das Ende zum Teil überraschend, aber auch viel realistischer.