Der Zelluloidarchäologe
Das Buchcover zeigt einen verschlungenen Negativstreifen einer alten Zelluloidfilmrolle und so verschlungen beginnt auch die Geschichte des Romans 'Von Stufe zu Stufe'. Da klettert ein Mann des nachts auf Hochhausdächer, um seinem langweiligen Leben einen Kick zu versetzen. Der Roman spielt parallel in zwei abwechselnd geschilderten Zeitebenen. Ein frustrierter Filmwissenschaftler (Marc), der noch auf eine universitäre Karriere hofft, entdeckt 2021 bei der Pflegerin Katalina, die die Großmutter betreut, Fotos von verschollen geglaubten Filmdosen. Und dann beginnt die zweite Ebene, die im Jahr 1906 startet. Dies ist die Geschichte der Anfänge der Filmindustrie. Als die Bilder laufen lernten und Fotos zu Films wurden, also der Beginn des Stummfilms sind das Ehepaar Louise und Anton Kolm die Pioniere in Wien. Diese Zeitreisen sind der gelungene Teil des Romans, auch weil die emanzipatorische Entwicklung von Louise überzeugend erzählt wird. Für Cineasten sind hier gut recherchierte technische Entwicklungen eingearbeitet, andere können diese Detailinformationen überlesen. Schwieriger und schwer nachvollziehbar fand ich die turbulente Reise und die Jagd nach den Filmrollen in Czernowitz in der Ukraine im Jahr 2021. Da wird ein rasanter Ausflug in kriminelle mafiaähnliche Verhältnisse in einen ansonsten eher nüchternen Roman hineingeschrieben und der Protagonist zeigt sich wenig heldenhaft in seiner Zielverfolgung. Auch wenn er die Filmrollen nach Wien bringt, bleibt er enttäuscht über die mangelnde wissenschaftliche Resonanz und fehlende Ehrerbietung. Der Filmwissenschaftler Marc ist so wenig ein Sympathieträger, dass man als Leserin ihm auch keinen Erfolg gönnen möchte. Erklärt er sich selbst die ausbleibende Anerkennung nur als Opfer der Frauenquote, so fehlt mir hier ein wenig selbstkritische Reflexion. Der Roman findet vielleicht Freunde bei Interessierten der Filmgeschichte, mir persönlich fehlten die Töne im Stummfilmbuch.