zweigeteilte österreichische Filmgeschichte

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sarahjanebooks Avatar

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Ich hatte mir einen Einblick in den Beginn des Films in Österreich erwartet. Dazu passt das Cover richtig gut, sowohl die etwas gedeckten Farben als auch die abgedruckte Filmspur.

Das Buch selbst hat mich dann doch enttäuscht. Das liegt einerseits an meiner Erwartungshaltung und andererseits an Marc, dem Protagonisten im Handlungsstrang der Gegenwart, der mir extrem unsympathisch war.

Ich hatte nach dem Klappentext mehr Fokus auf Louise Kolm und dem Beginn des Films in Österreich erwartet. Irgendwie stimmt es auch. Der Fokus in diesem Handlungsstrang liegt aber auf ihrem Kampf mit ihrem Mann, überhaupt einen Film zu drehen, bzw. einen Kinematographen auszuleihen. Ob es diesen Kampf so gab oder inwiefern diese Szenen und Gespräche Fiktion sind, wird leider nicht klar. Quellen oder Literatur zu Louise Kolm werden leider nicht angegeben. Louise ist eine wirklich starke, visionäre und fachlich geschickte Frau, die ein bewegtes Leben geführt hat auch nachdem dieser Handlungsstrang endet. Dieser Endpunkt macht aus Sicht des Autors, besonders hinsichtlich des Titels, Sinn. Ich hätte mir dennoch gewünscht, Louise noch länger zu begleiten oder wenigstens am Ende des Buchs einen kurzen Abriss zu haben, was sie noch erreichte und wie ihr Leben weiterging.

Obwohl dieser Teil der für mich der interessantere von beiden war, war er dennoch ein wenig überschattet von der gegenwärtigen Handlung. Ich habe mich mehrfach gefragt, ob Felix Kucher absichtlich einen unsympathischen Antihelden als Erzähler gewählt hat, auf Reaktionen abzielt, satirisch sein will oder was sein Punkt ist. Ja, Marc ist ein arbeitsloser Filmwissenschaftler, der irgendwie ziel- und motivationslos durchs Leben geht. Er scheint immer noch, mit knapp 40, auf eine Universitätskarriere zu schielen, aber anstatt einen Plan B zu schmieden, ärgert er sich (innerlich nur, nie nach außen) über die Bevorzugung von Frauen, feministische Filmwissenschaften und nicht eingelöste versprochene Stellenausschreibungen. Selbstreflexion oder sich informieren? Fehlanzeige. Katarina, die Pflegerin seiner Oma, würde er auch am liebsten angraben, weil sie so tolle blonde Locken hat. Irgendwie stelle ich mir einen mittelalten Mann spätestens in den 80ern vor, nicht 2021. Dadurch, dass alles in inneren Monologen und Innenansichten stattfindet, ohne Relativierung, habe ich nicht das Gefühl, dass es ironisch gemeint ist oder irgendeine neue Perspektive oder Twist in den Roman bringt. Der Roadtrip in die Ukraine war für mich auch durchaus mit Stereotypen versehen und ein wenig wirr zum Schluss hin. Was ich Marc fast am meisten noch ankreide, ist, dass seine Hauptmotivation, die Filmrollen zu besorgen, in seiner Karriere liegt, das Paper, was er dazu schreiben kann. Zwar interessiert er sich wirklich für Film, aber der vermeintliche Vorteil für ihn, ist mindestens ein genauso großer, wenn nicht größerer, Anreiz.