Aus der Zeit gefallen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
regenprinz Avatar

Von

Leider hat mich der Roman nicht überzeugt und das lag auch daran, dass der verheißungsvolle Klappentext und die Art der Präsentation bei mir andere Erwartungen geweckt haben. Formulierungen wie "berührende Lebensgeschichte zweier Menschen" oder "märchenhafter Entwicklungsroman" über eine Frau, die ihre Träume nie aus den Augen verliert, haben mich davon ausgehen lassen, dass die Figuren im Mittelpunkt stehen, aber so habe ich das beim Lesen an keiner Stelle des Romans empfunden.
Vor allem Jonathan blieb mir weitgehend fremd, man erfährt nur wenig über ihn als Kind und dann bekommt er erst gegen Ende des Buches wieder ein bisschen Raum zugestanden. Gerade seine Beziehung zu Annemie wird m.E. auch nur angerissen, was ich sehr schade fand.
Stattdessen beleuchtet der Roman in ausufernden Detailbeschreibungen die Naturlandschaft im Verlauf der Jahreszeiten, winzigste Erdkrümel, Steine, Pflanzen, Tierchen, die Form von Regentropfen, die Intensität von Wind etc. etc. dominieren den Text derart, dass ich mich permanent fragte, welche Funktion der Autor dem eigentlich beimaß. Mir blieb es ein Rätsel und ja, egal, wie geschliffen manche Beschreibungen waren, sie langweilten mich irgendwann nur noch. Der Kern der Geschichte wurde davon geradezu erdrückt, fand ich. Die Zeitsprünge waren ebenso kaum nachvollziehbar, sie konzentrierten sich meist allein auf die Jahreszeiten - z.B. die Erwähnung von Kirschblüten, dann wenige Zeilen später wieder Eisnadeln an Gräsern, dann wieder Tauwasser etc. Ein stetiger, detailliert ausgeführter Naturkreislauf, dessen Sinn mir komplett verborgen blieb. Schade.
Ansonsten ist Annemies Schicksal eigentlich hochdramatisch, manche Wendung auch recht überraschend. Insgesamt hat mich jedoch echt gestört, dass ich fast alle wesentlichen Ereignisse bzw. Stationen ihres Lebens schon aus dem Klappentext kannte und das Geschehen nicht, wie erwartet, im Roman weiter und tiefgehender ausgeführt wurde. Es wirkte vielmehr, als hätte das alles keine große Bedeutung im großen Kreislauf der Zeit bzw. der Natur. Die Gewichtung lag einfach komplett anders, als ich es mir vorgestellt hatte (und auch gewünscht hätte!). Die konstruierte Konstante mit dem Limonadenhändler, der auf seine Weise die Geschichte begleitet, ist da nur ein weiteres Puzzleteil.
Sprachlich ist der Roman sicher zu loben, wobei mir persönlich der Erzählstil eher nicht lag, ich weiß Schlichtheit/ Knappheit/ Pointiertheit im Ausdruck mehr zu schätzen. Aber ich kann die Sorgfalt und Ausgefeiltheit anerkennen, die hier vorherrschte. Nur leider habe ich nicht verstanden, worauf der Autor mit dieser Art der Erzählung und Darstellung des Themas hinauswollte und leider hat mich der Roman so weder erreicht noch irgendwie berührt.