Wetter und Vegetation und ein bißchen Handlung

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inyanmni Avatar

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Jürgen-Thomas Ernsts Roman „Vor hundert Jahren und einem Sommer“ hat eines der schönsten Cover, die ich in letzter Zeit gesehen habe: an einem schwarz-weißen, überfrosteten Geflecht von Zweigen hängen knallrote Kirschen. Auch die Widmung an die Frau, für die der Autor dieses Märchen, wie er es selbst nennt, geschrieben hat, ist wunderschön.

Der Inhalt des Buches hat mich leider deutlich weniger überzeugt. Zumindest bis zu dem Punkt, als nach gut 300 Seiten der Krieg ausbricht, besteht der Roman meinem Empfinden nach zu einem Drittel aus Wetterbeschreibungen, zu einem Drittel aus Schilderungen des Vegetationswechsels und nur zu einem Drittel aus Handlung, die dann auch noch vom sehr umfänglichen Klappentext und dem Prolog komplett vorweggenommen wird, die Spannung ist daher gleich Null. Am Anfang fand ich die poetischen Naturbeschreibungen noch ganz hübsch, aber spätestens nach den ersten 100 Seiten sind sie mir nur noch auf die Nerven gegangen.

Da die Handlung ständig durch diese ausschweifenden Beschreibungen unterbrochen wird, konnte ich mich überhaupt nicht auf Annemie und Jonathan und ihre Geschichte einlassen. Ich würde das Buch auch nicht als Entwicklungsroman bezeichnen, in dem eine Figur aus eigenem Antrieb einen Wachstumsprozess durchmacht. Für mich ist Annemie eher ein Spielball ihrer Zeit und der Umstände, die dann eben ein Gewächshaus für Kirschen baut, weil das gerade erwünscht ist. Und als Jonathan und Annemie ihre Tochter dann auch noch Jonamie nennen, war’s für mich echt vorbei – das fand ich schon bei der Steinzeit-Reihe von Jean Auel lächerlich, da wurde aus Jondalar und Ayla Jonayla…

Außerdem hat der Autor die Angewohnheit, in Nebensätzen die Verwendung von Subjekt und Objekt zusammen zu werfen. Ein Beispiel: Annemie biss von einem Apfel ab, „als sie plötzlich eine atemlose Unruhe erfasste und zu kauen vergaß.“ Ich finde das wahnsinnig anstrengend zu lesen und auch einfach grammatikalisch falsch, selbst wenn es zum Stil des Schriftstellers gehören mag. Mein Buch ist das also leider wirklich nicht.