Wunderbar!

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ilonar. Avatar

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„Für Monika,
die einmal gesagt hat,
Lieber, bitte schreibe mir ein Märchen. Hier ist es.“

Diese Widmung hat der Autor seinem Roman vorangestellt und wie ein Märchen mutet dieses Buch zunächst an. Dies liegt vor allem an der sehr feinen und blumigen Sprache, die einen beim Lesen immer wieder innehalten und das Gelesene noch einmal reflektieren lässt. Und ein wenig liegt es auch im Anfang der Geschichte, in der eine junge Frau in einer persönlich schwierigen Situation ungewöhnliche Hilfe erfährt.
Sofie erwartet ein Kind, unehelich, und weiß, was dies für sie und ihr weiteres Leben bedeuten wird. Völlig unerwartet aber kommt es anders und sie erhält die Möglichkeit, ihr Kind auf die Welt zu bringen und die ersten Jahre aufzuziehen, ohne den gesellschaftlichen Folgen ausgesetzt zu sein. Und was in ihren Ohren zunächst wie ein Märchen klingt, ist in der Wirklichkeit dann doch keines.
Sofie kehrt nach etwa drei Jahren in ihren Heimatort zurück und gibt ihr Kind, angeblich allerdings das ihrer verstorbenen Cousine, zu Pflegeeltern.
Fortan wächst Annemie, die Tochter, dort im Tal der Kirschen auf. Der Pflegebruder Jonathan wird ihr ein verlässlicher Freund und Spielgefährte, mit dem sie das Leben bei den Pflegeeltern teilt.
Der Alltag ist für die Kinder oft hart und unerbittlich, Armut und im Winter eine unwirtliche Natur, zeigen jeden Tag die Grenzen auf, in denen man gefangen ist. Sofie, ihre leibliche Mutter, besucht das Kind nur selten.
Als Jugendliche muss Annemie diese Familie verlassen, lebt einige Zeit in einem Armenhaus und später bei einem wohlhabenden Experimenteur, bei dem sie ein ganz anderes Leben, ohne wirtschaftliche Not, kennenlernt.
Sie flieht irgendwann in den Süden, sie ist schwanger und die Geschichte scheint sich möglicherweise zu wiederholen.
Sie findet Arbeit in einer Seidenraupenplantage, kehrt aber später nach einem Unglück zurück in das Tal, in dem die aufgewachsen ist. Der Pflegevater lebt noch, sie findet Jonathan wieder und das Leben scheint für eine gewisse Zeit wieder wie ein Märchen zu sein.
Mit diesem Roman erhält der Leser Einblick in ein anderes Leben in einer ganz anderen Zeit und, zumindest als Norddeutscher, auch in eine ganz andere Region. Sehr berührend und noch einmal eine Steigerung des Buches war in meinen Augen die lange währende Heimkehr Jonathans aus dem Krieg.

Ich habe dieses Buch nicht zuletzt der Sprache wegen als etwas ganz Besonderes empfunden. Der Autor findet Worte und Formulierungen, die es einem nicht erlauben, den Text einfach so wegzulesen, vielmehr sind wir immer wieder gefordert, einen Satz, einen Gedanken oder auch eine Schlussfolgerung ein zweites Mal zu lesen und das Gelesene noch einmal zu überdenken. Oftmals steckt darin soviel Lebensklugheit und Weisheit, wie man sie manchem Zeitgenossen heute wünschen würde.
Dies Buch bekommt eine unbedingte Leseempfehlung von mir und ich wünsche ihm, dass sie viele Leser auf dies Buch einlassen mögen.