Können wir unser Schicksal ändern?
Liane Moriartys „Vorsehung“ ist ein tiefgründiger Roman über die Frage: „Was würde ich tun, wenn ich wüsste, wann ich sterbe?“ Darüber lachen oder insgeheim doch dezent die Schweißtropfen, die sich auf der Stirn bilden, abtupfen und allen Gefahren aus dem Weg gehen? Wohl wissend, dass es immer noch so etwas wie Schicksal gibt und sich das Hirn darüber zermartern, ob man es selbst beeinflussen kann? Eine Frage, die uns unbewusst wohl alle bewegt, egal, ob Determinist, Pessimist oder Optimist. Gewohnt gekonnt und auf ihre unvergleichliche sarkastische Art skizziert sie die Story rund um Cherry, eine alte liebenswürdige Dame, die sich im Flugzeug zwischen Hobart und Sydney plötzlich dazu berufen fühlt, ihren Mitpassagieren mitzuteilen, wann sie warum sterben werden. Und verstößt damit indirekt gegen den Codex der Hellseherinnen und Hellseher, die es als ihre Aufgabe ansehen, den Menschen Hoffnung zu geben, statt sie in Panik zu versetzen. Das kommt nicht gut an und sorgt für einen kleineren Tumult. Während die einen lachen und sich über ihre 95 Jahre freuen, sind andere verstört, die mit 25 oder 30 das Zeitliche segnen sollen – und davon teilweise nur wenige Monate entfernt sind. Die Autorin schafft es, schon auf den ersten Seiten eine Verbindung des Lesers mit den Passagieren aufzubauen. Menschen, die man normalerweise ignorieren würde, wenn man sich nicht über sie aufregt, weil sie ihren Sitz zu weit nach hinten gestellt haben, laut telefonieren oder schreiende Kinder dabeihaben. Nicht so in dem Roman „Vorsehung“. Liane Moriarty baut Synergien auf, schafft Verständnis, wo wir normalerweise keines entwickeln würden, verbindet die Passagiere miteinander, spinnt neue Fäden, zeichnet tiefgründige Charakterbilder des Menschen von nebenan, an dem wir nur zu oft achtlos vorübergehen. Das alles braucht natürlich seine Zeit und erfordert Geduld, die ich aber nur zu gern aufgebracht habe. Klare Leseempfehlung!