Für Fans von Inception oder Jacques Lacan

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Wackelkontakt von Wolf Haas fällt als allererstes durch das außergewöhnliche Cover auf. Ich konnte das Buch nicht länger anschauen, ohne dass mir schwindlig wurde und das passt ganz gut zum Inhalt der Geschichte (dazu später mehr). Wenn man den Schutzumschlag abnimmt, gibt es auch eine kleine Überraschung auf dem Cover (so etwas gefällt mir ja immer sehr gut). Optisch also schon einmal sehr gelungen.
Und dann zum Inhalt. Das Buch hätte wirklich richtig gut sein können. Aber wann kommt es endlich bei Autoren an, dass es nicht cool ist, Frauen zu objektifizieren? Auch nicht literarisch. Und vor allem nicht, wenn die Stellen absolut nichts zur Geschichte beitragen und man sie, wenn man sie schon nicht umschreiben möchte, auch einfach weglassen könnte. Und ja, wenn die Brüste einer Frau als „ihre nicht zu übersehenden Vorzüge“ beschrieben werden, ist das objektifizierend. Und auch literarisch nicht gerade originell, ganz ehrlich.
Abgesehen davon ist es ein Buch, das man ganz wunderbar mit einem Seminar zum Thema postmoderne Literatur lesen kann. Es wirkt fast ein bisschen so, als hätte Wolf Haas eine Liste gehabt mit Aspekten, die diese Literatur ausmachen (können), und hätte sich dann ans Werk gemacht. Und das mag jetzt so klingen, als wäre das negativ, aber so meine ich das gar nicht. Ich hatte großen Spaß dabei, die verschiedenen Aspekte zu entdecken, miteinander in Verbindung zu setzen, Hypothesen aufzustellen und einfach mal wieder so richtig theoretisch in die Analyse zu gehen. Wir begegnen unter anderem Lacan, Derrida, oder de Saussure und ich freue mich ja jedes Mal über ein Wiedersehen mit diesen Franzosen.
Aber keine Sorge, der Roman funktioniert auch ganz prima ohne all das und man braucht absolut kein Vorwissen. Es geht viel um Sprache und (die Auflösung von) Bedeutung, das Infragestellen von Wahrheiten, den Wegfall von Kausalzusammenhängen, Fragmentierung, Zufall. Und eben auch um eine abgefahren absurde Geschichte, die trotz aller Unmöglichkeit doch irgendwie plausibel wirkt, wenn man sich darauf einlässt.
Die Idee, dass eine Figur einen Roman liest, in dem sie selbst vorkommt, ist so neu nicht. Ich erinnere mich an Austers Travels in the Scriptorium, bei dem das bereits in Ansätzen vorhanden ist. Und es gibt sicher viele weitere. Aber es ist hier gut gemacht. Und das bringt mich auch zum Anfang meiner Rezension zurück: wenn man versucht, die Ebenen der Geschichte genau aufzudröseln, kann es sein, dass einem schwindelig wird. Es ist ein bisschen Inception und viel willing suspension of disbelief, also die Bereitschaft der Lesenden, nicht alles zu hinterfragen, und einfach mal etwas hinzunehmen.
Ich finde es jetzt schwierig, den Roman neutral zu bewerten, da mich Misogynie einfach richtig nervt und ich es leid bin, dass es so oft einfach hingenommen und ignoriert wird und dadurch einfach kein Umdenken stattfindet. Die Story an sich hat mich schon gefesselt und ich habe das Buch innerhalb eines Tages gelesen, weil ich immer wissen wollte, wie es weiter geht. Aber ich habe mich halt auch immer wieder aufgeregt. Und das finde ich umso schlimmer bei Büchern, die ich so gerne uneingeschränkt gemocht hätte.