Wie umeinander geflochtene Stromkabel

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emmmbeee Avatar

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30 Seiten fehlen mir noch bis zum Ende des Buches, und ich bin sicher, es endet mit einem Knall. Aber es drängt mich jetzt schon, „Wackelkontakt“ zu rezensieren.

Eine Inhaltsangabe mag ich nicht geben, da der Klappentext bereits genug aussagt. Und allein der Titel und dass es unter anderem um einen Elektriker und die Mafia oder Ndrageta oder Cosa Nostra geht, wie immer man sagen will, verheißt von Anfang an Spannung bis zum Zerreißen.

Der neue Roman von Wolf Haas hebt sich komplett von dem ab, was ich bisher von diesem Autor gelesen habe. Die Brenner-Romane waren vielfach recht blutrünstig. Doch auch in diesem neuen Werk geht es nicht ohne Tote ab. Dabei ist das Buch mit viel Humor durchsetzt, und ich musste öfters hellauf lachen.

Bei Haas gibt es immer sprachliche Eigenheiten. War bei den Brenner-Romanen ständig „Weil du musst eines wissen“ zu lesen, so kommen im zweiten Teil des Romans, übertitelt mit „on“ die Ausdrücke „spooky“ und „keineahnung“ auf fast jeder Seite vor. Denn da übernimmt hauptsächlich die jugendliche Tochter Ala den zweiten Handlungsstrang. Auch schneidet Haas manchmal einzelne Wörter regelrecht auseinander, schiebt eine Überlegung oder eine wörtliche Rede dazwischen, um mit dem zweiten Wortteil fortzusetzen. Wobei das Auseinanderschneiden durchaus Sinn macht.

Dazu passt, dass der eine Hauptprotagonist, Escher, leidenschaftlich gern Puzzles legt, denn viele Teile werden auch hier zusammengesetzt. Hinzu kommt noch, dass der Puzzler Trauerredner ist, aber gerade in einem speziellen Todesfall nicht als er selbst in Erscheinung treten sollte. Ja, und dass bei bildnerischen Enthauptungsszenen beim Zusammensetzen der 1000 Puzzleteile der abgeschlagene Kopf wieder an seinen Platz gerückt werden kann.

Diese beiden Geschichten, die sich wie ein Zopfmuster umeinander ranken, überholen sich mit zunehmendem Fortschreiten der Handlung gegenseitig. Es kann sein, dass man in der einen Story bereits lesen kann, was in der anderen noch gar nicht geschehen ist. Auch wechselt der Autor oft mitten in einem Absatz in die andere Geschichte. Schon deshalb empfiehlt es sich, keineswegs querzulesen. Obwohl man nie durcheinanderkommt mit den Räumen, die gerade wechseln.

Insgesamt einige raffinierte Schachzüge, die den Roman in meinen Augen zu einem kleinen Kunstwerk machen. Ich halte „Wackelkontakt“ für eins vom Besten, das Haas je geschrieben hat. Ich empfehle es jedem, der mal etwas ganz anderes als das bisher Gewohnte lesen möchte. Der Roman dürfte ein Bestseller werden.