Die Trauer umarmen

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clara_fall Avatar

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Dies ist ein Buch über das Abschiednehmen: der Abschied vom Leben, von den Kindern, die allmählich erwachsen werden, von der Kindheit, vom Beschütztsein, von der Karriere, von der Unschuld.

Martti und Elsa, seit über 50 Jahren ein Paar, steht ein großer Abschied bevor - vom Leben, voneinander. Elsa, erfolgreiche Psychologin, muss erfahren, dass eine schwere Krankheit allem bald ein Ende macht. Von nun richten alle ihre Familienangehörigen ihr eigenes Leben danach aus, wollen helfen, trösten, Schmerzen lindern, innehalten und dabei stoßen sie in ihren eigenen Erinnerungen auf Fragen, Wunden, Ängste.

Da ist z.B. die Ärztin Eleonoora, Marttis und Elsas Tochter, die zurückschaut in die Kindheit und spürt, wie sehr sie immer nach der Gunst ihrer Mutter gehungert hat. Jetzt sieht sie sich einer fordernden, launischen Mutter gegenüber und sie ist in der Rolle der Gebenden, Liebenden. Mitansehen zu müssen, wie sie selbst altert, wie ihre kleinen Mädchen zu selbständigen Frauen heranwachsen, erzeugt einen großen Schmerz in ihr. Ihre Tochter Anna scheint ihre Art der Sorgen übernommen zu haben. Sie muss sie aus einer tiefen Depression herausholen, und nun muss sie ihr und ihrer Schwester Maria auch noch die Mitpflege ihrer Großmutter zumuten. Und so endet auch die LP: Anna steckt mitten in ihrer Abschlussarbeit, den Kopf voller Fragen, doch sie schenkt diesen Nachmittag ihrer Großmutter und wartet gespannt auf die Dinge, die da kommen.

Beim Lesen erfüllt mich eine gewisse Schwermut und lässt mich erahnen, wie "anstrengend" das Lesen des gesamten Buches sein wird. Man kann die Seiten nicht einfach leichtfertig überfliegen wie einen Roman, denn fast jeder Satz ist so voller Aussagekraft und Lebensweisheit, dass man gern länger verweilt, den Satz nochmals liest, darüber nachdenkt und eigene Parallelen findet. Jeder, der die schwere Aufgabe hatte, den Leidensweg eines Todkranken zu begleiten, wird dieses Buch nicht leichtfertig überfliegen, sondern darin eintauchen wie im eigenen Tagebuch.

Ich hätte dem Buch ein passenderes Cover gewünscht. Auf den ersten Blick erscheint es wie ein austauschbares "Tussi"-Buch, das die Oberflächlichkeit der Modewelt schildert. Vielleicht versöhnt man sich mit dem Motiv, wenn man mehr über die Bedeutung dieses Kleides erfährt.