"Man trägt alle früheren Formen seines Ichs in sich."

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Die renommierte Psychologin Elsa Ahlqvist  hat kurz vor Weihnachten die Diagnose Krebs erhalten und wird palliativ behandelt. Ihre Tochter Eleonoora, genannt Ella, ist selbst Ärztin macht sich große Sorgen um ihre Mutter, zu der sie aber ein gespaltenes Verhältnis hat. Die Enkelinnen Anna und Maria beschließen, tatkräftig mit anzupacken und den Großeltern zur Seite stehen. Als Elsa und Anna sich für ein Picknick im Garten verkleiden wollen, zieht Anna ein Kleid aus Elsas Schrank, das diese schon vergessen hatte. Einst hatte sie es dem Kindermädchen Eeva geschenkt. Beim Anblick ihrer Enkelin in diesem Kleid, erinnert sich Elsa an Eeva. Aber weder sie noch ihr Mann, der Maler Martti wollen Anna gegenüber erklären, was es damit auf sich hat und was aus Eeva geworden ist. So begibt sich Anna selbst auf Spurensuche in die 60er Jahre und entdeckt ungeahnte Paralellen zu ihrer eigenen Lebensgeschichte. Alle Generationen beginnen zu erkennen, dass man seine früheren Ichs sein Leben lang in sich trägt und sich manchmal erst nach Jahren den Fragen der Vergangenheit erneut stellen muss.

Einige Hinweise auf die Geheimnisse der Figuren gibt uns die Autorin schon sehr frühzeitig, wenn der Großvater Martti von den "früheren Ichs" spricht und das Gedicht im Prolog die "doppelten Menschen" erwähnt. Riikka Pulkkinen beschreibt sensibel, wie die 3 Frauengenerationen mit der Diagnose Krebs und ihren Gefühlen dazu umgehen. Jede trägt ihre eigenen Geheimnisse in sich und kann sich nicht unbedingt den anderen Familienmitgliedern öffnen. Ella hat nie verstanden, warum Eeva eines Tages einfach ging und nie zurück kehrte, Anna sorgt sich um Linda, die Tochter ihres Exfreundes und Großvater Martti fragt sich, ob er die erwachsene Enkelin Anna überhaupt noch kennt. Trotz des schweren Themas und unausweichlichen Endes ist das Buch nicht traurig im eigentlichen Sinne. Die Familie versucht die letzten Monate so intensiv wie möglich zu leben und zu genießen, so sagt Elsa beispielsweise, dass sie Zwiebelkuchen gebacken hat, da sie heute keine Lust hatte nur krebskrank zu sein. Anna und Martti finden über ihr gemeinsames Spiel sich Lebensgeschichten für Passanten auszudenken wieder zueinander. Ella erinnert sich an die Puppe Molla, die sinnbildlich für ihre Kindheit steht. Elsa denkt zurück an ihr Leben in Paris und hat Martti längst vergeben. Und Martti malt nun zum ersten Mal ein Bild von Elsa. Fehlen dürfen auch nicht die typisch finnischen Zutaten wie Sommerhäuser mit Sauna am See, aufgefädelte Walderdbeeren und Moltebeerenmarmelade...-

Da wir in unserer Familie mit der gleichen Situation konfrontiert waren, hat mich das Buch sehr interessiert und berührt. Pulkkinen schreibt sehr realistisch ohen reißerisch zu wirken. Ihre Sprache ist poetisch, ohne je kitschig zu werden. Die Protagonisten schaffen es letztendlich, Frieden mit sich und ihrem Leben zu schließen. Sehr berührend und besonders, dennoch gleichermaßen unterhaltsam und melancholisch zugleich. Eine ganz klare Empfehlung.