Vergangenheit als Teil der Gegenwart

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Elsa, eine bekannte Psychologin, wird bald sterben. Am Ende ihres Lebens umgibt sie sich mit ihren beiden Enkelinnen, ihrer Tochter und ihrem Mann. Auf ihren Wunsch wird sie nach Hause entlassen. In der kurzen ihr noch verbleibenden Zeit kann auch in einem Krankenhaus nicht viel für sie getan werden. Sie versucht, ein normales Leben zu führen, aber normal ist das alles nicht.

Mit ihrer Enkeltochter Anna spricht sie über die Vergangenheit. Es ist da etwas geschehen, das viele Leben betraf. Als die Tochter Ella noch klein war, war Elsa oft auf Vortragsreisen und ihr Mann, ein damals hochgelobter Künstler, konnte sich nicht ständig um sie kümmern. Deshalb wurde Eeva eingestellt, eine Studentin, die immer dann ins Haus kam, wenn Elsa weg war. Sie versteht sich gut mit Elsa und Ella. Im Rückblick wird diese Geschichte von Eeva als Ich-Erzählerin erzählt. Man erfährt so viel über ihre Beziehungen zu dieser Familie, wie aus einem Job allmählich Zuneigung und Liebe wird. Zuerst zu dem Kind, dann auch zu dem Mann. So werden die beiden in diesem Rückblick bezeichnet.

Anna erfährt dies alles, macht sich Gedanken, fällt Urteile und bindet ihre eigenen Erfahrungen ein und versucht die Lücken in der Geschichte zu füllen. Nach der Meinung ihres Freundes Matias trägt man "alle früheren Formen des Ichs mit sich", und Anna versucht diese früheren Formen zu finden. Manchmal gelingt ihr das, manchmal sieht sie den kleinen Jungen in ihrem Großvater. Hilft ihr das, die vergangenen Gefühle und Ereignisse zu begreifen?

Das ist ein anspruchsvolles Buch mit einem unangenehmen Thema. Aber Sterben gehört zum Leben und irgendwann muss sich jeder damit auseinandersetzen, und genau dazu regt diese Buch an. Sehr vielschichtig sind die Gefühle, die da in diesen wenigen Tagen hochkommen und genauso ist auch der Stil der Autorin. Schwierig waren für mich die Sprünge zwischen den verschiedenen Erzählebenen, der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Präsens und Imperfekt. Denn diese Wechsel sind zunächst nicht nachvollziehbar: Da wird die Vergangenheit von einer Ich-Erzählerin im Präsens geschrieben, manche Szenen der Gegenwart im Imperfekt, manche im Praesens. Das kann man nicht einfach so lesen, man stolpert ständig, wird immer wieder überrascht.

Das gefällt mir einerseits, eben weil man dadurch mehr reflektiert. Andererseits gefällt es mir aber auch nicht, weil man deshalb nicht einfach so in die Geschichte eintauchen kann. Die Gedanken, die Gefühle, die moralischen Vorstellungen werden sehr eindringlich dargestellt, deshalb werde ich dieses Buich sicher noch einmal lesen.

 

 

meldsebjon