Zwischen Wahrheit und Traumwelt

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sophia1 Avatar

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„Still bin ich ebenfalls, bin ohne Stimme, kein Wort werde ich mehr sagen.“

Wahr... ein Text , in dem man sich ganz und gar verliert, der wie kein anderer dazu aufruft, sich der Frage bewusst zu werden, ob es so etwas wie Wahrheit eigentlich gibt. Was ist wahr? Was ist Realität und was Wirklichkeit? Wie wahr sind Liebe, Trauer, Hass, Schmerz?

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Für Elsa bedeutet Wahrheit Fürchterliches. Sie lebt seit Kurzem in der Gewissheit, an einer unheilbaren Erkrankung zu leiden. Und das bedeutet den sicheren Tod. Doch bevor es soweit ist, möchte sie noch eines tun: Ihre Geschichte erzählen. Die Leser tauchen ein in eine Verstrickung von Familiengeheimnissen, die Generationen übergreifen, beginnend mit Elsa, deren Tochter Ella bis hin zur Enkelin Anna. Für die alle scheinen vergangene Zeiten eine wichtige Rolle zu spielen. Erzählt wird von Elsas Ehe, die unter dem betrug ihres Mannes leiden musste. Dieser führt eine Affaire mit dem Kindermädchen und fügt ihr so Kummer und Leid ungeahnten Ausmaßes an. Denn was für ihn nur ein Spiel ist, bedeutet für Evaa, seine Geliebte, die große Liebe. In mehreren Rückblenden erzählt sie ihre Geschichte als einzige Figur im Text aus der Ich-Perspektive. Dabei werden starke Emotionen spürbar, die sie mit diesem verheirateten Mann verbindet. Zusätzlich stellt man sukzessive eine Parallele zu Anna, Elsas Enkelin fest.

Erschreckend ist die innere Entwicklung der Geliebten, die an der Beziehung zu Elsas Mann immer mehr zerbricht. Gleichzeitig mit dieser Rückblende erlebt man Elsas Krankheitsgeschichte und die Sorgen, die dadurch bei ihrer Familie entstehen. Ein Buch, das mit geballter Wucht in das Seelenleben seiner Protagonisten führt und dabei viele gut gehütete Geheimnisse aufdeckt.

Der Text ist besonders interessant, weil er mit den verschiedenen Perspektiven spielt und dem Leser das Innenleben der Protagonisten schonungslos vor Augen führt. Innerseelische Zustände werden nach und nach aufgedeckt und an keiner Stelle des bisherigen Ausschnittes wird die Lektüre langweilig. Sie ist wunderbar leicht zu lesen. Überdies geht es hier um ganz existentielle Fragen. Fragen nach Wahrheit, Lüge, Realität, Fiktion, der eigenen Vergangenheit und der eigenen Zukunft mit oder ohne die Menschen, die man liebt. Veränderungen, Verzweiflung und der Kampf mit unheimlich bedrückenden Tatsachen, gegen die man als Einzelner nichts ausrichten kann.

Der Schreibstil der jungen Autorin ist poetisch, romantisch, tiefsinnig, einzigartig. Auf verblüffende Weise schafft sie es mit ihrem kreativen Spiel mit Wörtern, Emotionen fassbar zu machen.

„Ich liege auf dem Boden, unfähig aufzustehen. Ich höre der Stille zu, die an den Wänden haftet. Ich zerfließe, sickere in die Ritzen zwischen den Dielen.“

Fazit: Eine tiefsinnige, wunderbare Geschichte, die in dem Leser eine Seite zum klingen bringt, wie es nur wenige Texte vermögen. Das Buch ist überaus lesenswert!