Das Gewicht derer, die wir zurücklassen

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owenmeany Avatar

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Genauso wie die Kinder hätte ich wahrscheinlich auch auf die schockierende Mitteilung meiner Eltern reagiert, hätten sie mir eröffnet, gemeinsam freiwillig aus dem Leben scheiden zu wollen.

Schon von frühester Jugend an zog es Joseph, den Bodenständigen aus kleinen Verhältnissen, hin zu Eveline, der höheren Tochter mit musikalischen Ambitionen. Als sie ihren Entschluss verkünden, setzt das in der ganzen Familie einen Prozess in Gang, das eigene Leben zu überdenken.

In Rückblenden entwickelt Neff die lange verschlungene Lebensgeschichte der beiden und ihrer drei Kinder, wobei sie auch innerhalb der Kapitel Brüche einbaut, um unterschiedlichen Perspektiven gerecht zu werden. Die Episoden ranken sich um allerlei Krisen, die deren panische Verlustangst erklären, so z.B. den Tod von Evelines Bruder im Krieg und ihr Verzicht auf eine Pianistenkarriere den Kindern zuliebe. Das sie immer wieder zusammenfinden, liegt an ihrer unendlichen Zuneigung zueinander, um die sie die Kinder direkt beneiden, weil sie sich nach so etwas lange vergeblich sehnen. Dabei bedeutet eine gelungene Beziehung nicht, dass der Himmel unentwegt voller Geigen hängt, sondern dass man die aufkommenden Schwierigkeiten erfolgreich bewältigt.

Sehr bildhaft und poetisch beschreibt Neff die zauberhafte Natur Neuenglands, aber besonders auch die emotionalen Zustände, die sich gegen Ende in einer Art und Weise steigern, die nüchternen Gemütern eventuell zu dick aufgetragen erscheinen können.

Wer resultierend aus der Inhaltsangabe einen Thesenroman über selbstbestimmtes Sterben erwartet, wird enttäuscht werden: dieser Roman ist ein überwältigender Hymnus auf die Kraft einer lebenslangen Liebe.