Ein Roman, der den Leser herausfordert

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
wordsalloverme Avatar

Von

Der Gedanke, der mir immer wieder bei dem Lesen des Romans "Was fehlt dir" von Sigrid Nunez in den Sinn gekommen ist, war "schwierig". Die Einordnung der Romans, die Intention der Autorin und die Zusammenfassung des Inhalts ist schwierig, aber nicht schlecht. In dem Roman werden viele Handlungsstränge und Gedanken verfolgt, aber oftmals nicht weiter ausgeführt. Dies führt dazu, dass in dem ersten Teil die Handlung unübersichtlich war und das Dranbleiben schwierig war. Aus der Ich-Perspektive teilt die Autorin ihre Gedanken, von denen viele sie als unsympathisch und unfreundlich erscheinen lassen. Sie wirkt wie ein stiller Beobachter, der betrachtet und beurteilt, leider auch verurteilt. Der überwiegend negative Eindruck wird in dem zweiten Teil des Buches jedoch revidiert. Die Handlung wird klarer und zusammenhängender. Es geht um die kranke Freundin der Autorin, dies fungiert als roter Faden in dem Roman. Dabei wirkt die Autorin viel empathischer, reflektierter und sympathischer als in den ersten Seiten. Fällt das Lesen zu Beginn schwer, ändert sich dies im zweiten Teil. Man möchte unbedingt erfahren, wie die Geschichte endet. Dies liegt auch an der Schreibweise der Autorin. Die Geschehnisse werden nicht verurteilend dargestellt, sondern intelligent und empathisch beschrieben. Dadurch fühlt sich der Leser den Protagonisten näher.

Am Ende wird der Leser nicht wie zunächst erwartet getröstet entlassen, sondern aufgewühlt und mit einem Gefühl von Vergänglichkeit. Dies ist aber in Ordnung und gewünscht, da der Leser dadurch gezwungen ist, über das eigene Leben nachzudenken. Wenn man sich eine einfache und leichte Geschichte wünscht, ist man mit diesem Buch falsch beraten. Wenn man jedoch Lust auf ein ungemütliche und aufwühlende Handlung hat, ist man mit diesem Roman richtig. Im schlechtesten Fall wühlt der Roman den Leser auf, im besten Fall wühlt er ihn so stark auf, dass er beginnt, sein Leben objektiv und ungeschönt zu betrachten.