Schreibstil hervorragend, aber ohne Plot?

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leilalala Avatar

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Sigrid Nunez' "Der Freund" war für mich eine emotionale Achterbahnfahrt, voll mit tollen, den Nagel auf den Kopf treffenden Sätzen. Das habe ich wieder erwartet.
Schnell merkte ich, dass dieses Buch anders ist, sehr beobachtend und dass es weniger um Sterbehilfe geht, als ich erwartet habe. Es handelt von Erwartungen und verschiedenen Lebensläufen, von Trauer, Enttäuschung und was man im Nachhinein anders machen würde.

Diese Bewertung fällt mir schwer, denn es ist super geschrieben, sehr ruhig, empathisch und beobachtend. Aber irgendwas hat mir gefehlt und so richtig benennen kann ich es nicht. Vielleicht war es die sehr passive Protagonistin, die alles, wie man selbst als Leserin, nur beobachtet. Vielleicht, dass ich mir lieber 200 Seiten nur über Sterbehilfe gewünscht hätte, statt 220 Seiten über viele gesellschaftliche Themen. Die Szenen zwischen den zwei Freundinnen sind nämlich wirklich sehr schön und emotional mitreißend. Aber gleichzeitig fand ich diesen Abriss aus verschiedenen gesellschaftlichen Problemen auch so spannend, dass ich die Episoden nicht missen will. Vielleicht hat mir einfach der rote Faden gefehlt zwischen den wundervoll beschriebenen Beobachtungen und Episoden aus einzelnen Lebensläufen.

Alles in allem hat es viel Spaß gemacht Sigrid Nunez Schreibstil ein weiteres Mal zu genießen, ihren Beobachtungen zu folgen, aber ich hätte mir mehr zusammenhängende Geschichte und weniger einzelne Episoden gewünscht, so hatte es fast etwas von einem Kurzgeschichten-Band.