Schwieriges Thema kunstvoll umgesetzt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
si_liest Avatar

Von

Wer gerne klassische Romane mit einem geradlinigen Plot und einer zusammenhängenden Handlung liest, wird von Sigrid Nunez‘ neuestem Buch sicher enttäuscht sein. Wer jedoch offen für ungewöhnliche Herangehensweisen an ein Thema ist und wer Essays mag, wird Freude an dem Buch haben.
Die Rahmenhandlung bildet die Interaktion der namenlosen Ich-Erzählerin mit ihrer Freundin, die an Krebs im Endstadium leidet. In drei Teilen, welche jeweils an einem anderen Ort angesiedelt sind – im Krankenhaus, in einem angemieteten Haus an der Küste und letztendlich in der Wohnung der Freundin –, setzt sich die Ich-Erzählerin mit den schwierigen Themen Tod und Verlust auseinander. Daneben werden, in Form scheinbar unzusammenhängender Gedanken und fragmentarisch eingestreuter kurzer Geschichten, auch noch andere Themen, die die Menschen im 21. Jahrhundert beschäftigen (z.B. Klimawandel, #metoo, Körperkult und Älterwerden), angesprochen und auf höchst unterhaltsame Weise den Lesern*innen nähergebracht.
Ich hatte zuerst Mühe, in die Erzählweise hineinzufinden, weil mir alles etwas chaotisch erschien. Betrachtet man jedoch die unterschiedlichen Geschichten als eigenständige kleine Essays, dann haben diese durchaus ihren Reiz. Die Erzählstimme des Buches erinnert mich zum Teil sehr an Rachel Cusk; auch hier kommen neben der Ich-Erzählerin diverse andere Stimmen zu Wort, die vielfältige Meinungen kundtun. Sigrid Nunez schreibt klar und schnörkellos und gerade das macht den Roman für mich interessant, da es dies ermöglicht, die schwierigen Themen aus einer gewissen Distanz zu betrachten.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, wobei ich auf Grund des Klappentextes andere Erwartungen hatte und sich mir die Zusammenhänge nicht immer ganz erschlossen haben. Den zweiten Teil fand ich persönlich am stärksten, da er es am ehesten erlaubt, sich mit den Protagonisten zu identifizieren.