Ein Buch, was nachdenklich stimmt

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mollymoon Avatar

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Ich habe noch nie ein Buch gelesen, welches mit einem Satz wie ‚Lydia ist tot.‘ beginnt. Dieser Satz hat mich sofort in den Bann gezogen und neugierig gemacht. Was erwartet mich als Leser? Ist Lydia ermordet worden? Hat sie Selbstmord begangen oder war es ein Unfall?

Die 16-jährige Lydia ist das 2. Kind und der absolute Liebling der amerikanisch-chinesischen Familie Leewar. Ihr älterer Bruder Nathan und ihre jüngere Schwester Hannah finden wenig Beachtung bei den Eltern, laufen nebenher mit.

Es ist der 3. Mai 1977. Die Familie sitzt wie jeden Morgen beim Frühstück. Nur Vater James fehlt, als Professor für amerikanische Geschichte ist er schon unterwegs ins College. Und die 16-jährige Lydia fehlt. Denn Lydia ist tot. Aber das weiß noch niemand. Mutter Marylin macht sich sofort auf Spurensuche im Haus, die Polizei wird eingeschaltet, eine Vermisstenanzeige aufgegeben, die Familie wird von der Polizei vertröstet. Aber Lydia bleibt verschwunden. Bis an den frühen Morgen, als die Polizei den See durchsucht und Lydia findet …

Bruder Nath ist davon überzeugt, dass der verhasste Nachbarsjunge und Lydias Freund Jack etwas mit dem Verschwinden und dem Tod der Schwester zu tun zu hat. Aber er schweigt, auch weil niemand von Lydias Freund weiß. Und auch Hannah hat gut beobachtet. Aber anders als ihr Bruder weiß sie, dass Jack Lydia nicht ermordet haben kann. Aber warum sollte Lydia Selbstmord begehen? Lydia - der Stolz der Familie, überall beliebt, mit vielen Freunden, besten Noten und vor allem glücklich. So sehen zumindest die Eltern ihre Tochter. Die Geschwister haben allerdings andere Beobachtungen gemacht.

Und so beginnt eine spannende und mitreißende Geschichte. Jedes Familienmitglied kommt hier zu Wort. Wir lernen eine Marylin kennen, die eigentlich Medizin studieren wollte, um Ärztin zu werden. Doch wegen der Familie zerplatzt dieser Traum wie eine Seifenblase. Diesen Traum überträgt sie voll und ganz auf ihre Tochter Lydia. Vater James, der sich als Chinese nie heimisch und integriert gefühlt hat in Amerika, wünscht sich für Lydia nichts sehnlicher als dass sie dazugehört. Sie soll viele Freunde haben und im Leben vorwärts kommen. Da sich im Leben der Eltern einzig und allein alles auf Lydia konzentriert, werden die beiden anderen Geschwister einfach vergessen, werden kaum beachtet. Dafür reagieren sie auf ihr gesamtes Umfeld sehr sensibel und bekommen Dinge mit, die den Eltern verborgen bleiben. Einfach deshalb, weil sie nur mit sich und nur das Beste für Lydia zu wollen, beschäftigt sind.

Celeste Ng erzählt eine glaubhafte, spannende und unglaublich mitreißende, dramatische Geschichte. Ein berührendes Buch, das zumindest mich nachdenklich und ein wenig traurig zurücklässt. Denn was letztendlich zu Lydia Tod führte, erfährt nur der Leser. Die Familie Lee wird nie mit Gewissheit sagen können, wie ihre Tochter gestorben ist. Trotz dem tragischen Ende war ich froh, dass Marylin und James ihre Fehler eingesehen haben. Viel zu spät zwar, aber immerhin. Besonders für Hannah freue ich mich. Sie hat sich so sehr nach Aufmerksamkeit gesehnt. Bei Nathan wird es vielleicht etwas dauern, bis er verzeihen kann. Bleibt zu hoffen, dass er in der Zukunft sein persönliches Glück findet.

Dieses Buch ist bis jetzt mein absolutes Lese-Highlight in diesem Jahr. Meine Empfehlung: unbedingt lesen!