Tragische Familiengeschichte

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leseclau Avatar

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Dieses Buch beschreibt auf ergreifende Weise eine tragische Familiengeschichte.

Beim Frühstück bemerken die Lees, dass ihre Tochter Lydia verschwunden ist. Sie ist die mittlere von drei Geschwistern und im Teenageralter. Was zunächst als tragisches Ereignis beginnt, entwickelt sich zu einem Psychogramm on Beziehungen. Auf den ersten Blick wirken die Lees wie eine normale amerikanische Familie. Doch nach und nach kommen Verletzungen und Ereignisse ans Tageslicht, die nie ausgesprochen wurden. Und darin liegt vermutlich das wirklich Tragische in dieser Familie. Jeder von ihnen hat ein Eigenleben mit starken Gefühlen und Erlebnissen. Doch diese werden verschwiegen.

Da ist die Mutter Marilyn, Amerikanerin, die immer etwas besonderes sein wollte. Sie träumte davon, eine der ersten weiblichen Ärztinnen zu werden und hat dafür einige Hindernisse in Kauf genommen. Sie war z.B. als einziges Mädchen in schwierigen Physikkursen. Ihre Mutter wiederum wollte sie zu einer perfekten Hausfrau erziehen, deren Glück in der Familie liegt. Und Hausfrau wird Marilyn tatsächlich, denn sie lernt noch vor ihrem Abschluss James, einen Universitätsprofessor, kennen.

James ist Chinese, allerdings wurde er bereits in Amerika geboren. Dennoch fühte er sich immer anders und musste viele Repressalien erdulden. Er will immer wie die anderen sein.

Und ausgerechnet auf Lydia projizieren beide ihre Hoffnungen. Marilyn zwingt sie zu schulischen Höchstleistungen, James macht ihr Geschenke, die man als amerikanischer Teenager haben muss, um seiner Meinung nach beliebt zu sein. Und Lydia möchte beide nicht enttäuschen, schließlich hat sie schon einmal erleben müssen, wie es ist, als ein Elternteil für eine Weile verschwindet. Ihre Mutter brach nämlich für ein paar Monate aus der scheinbaren Idylle aus, um ihr Studium nochmals aufzunehmen.Lydias Drama ist im Buch in diesem wunderbaren Satz beschrieben: "...Weil ihre Mutter sich sehnlichst gewünscht hatte, aus der Menge herauszuragen, und weil ihr Vater sich sehnlichst gewünscht hatte, ein Teil der Menge zu sein. Beides war nicht möglich gewesen."

Und ihre Geschwister? Die leben relativ unbeachtet vor sich hin. Nath, der ältere Bruder, ist fasziniert vom Weltall und ist gerade im Aufbruch nach Harvard, um dort zu studieren. Er ist Lydias einziger Halt und dieser bricht durch seinen bevorstehenden Auszug weg. Hannah, das Nesthäkchen, ist äußerst sensibel und bekommt die Stimmungen in der Familie bis ins kleinste Detail mit. Meist sitzt sie jedoch allein unter dem Küchentisch und beobachtet. Richtig wahrgenommen wird sie von keinem.

Und nun ist Lydia, der Familenmittelpunkt, tot. Sie gab der Familie bisher Zusammenhalt. Es bricht ein emotionales Chaos aus, das viele weitere Verletzungen nach sich zieht. Am Schluss des Buches werden endlich ein paar Themen innerhalb der Familie angesprochen, vieles wird aber weiterhin verschwiegen.

Aus verschiedenen Perspektiven wird das Familiendrama aufgeklärt. Wieviel Last auf Lydia lag, wird nach und nach klar. Dennoch fokussiert sich alles auf die unerfüllten Träume der Eltern. Da hätte ich mir noch etwas mehr Vielschichtigkeit gewünscht, denn in der Mitte hat das Buch etwas Längen, da dieselbe Situation nur unterschiedlich dargestellt wird.