Wenn man das Leben für Jemand anderen lebt

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mocbeth Avatar

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Man stellt sich die alte Zeit ja immer sehr romantisch vor, aber dieses Buch zeigt einmal mehr, wie eingeschränkt man a. als Frau und b. dazu noch mit Ausländer stigmatisiert war. Man hatte es alles andere als leicht.
Lydias Tod ist in der Auflösung echt tragisch, wenn man bedenkt dass man sie einfach nur ein neues Leben anfangen wollte. Oder gerade in der Hinsicht auf ein neues, eigenständiges Leben. Denn bis dato hat sie nur für ihre Mutter gelebt, versucht, ihren (unerfüllten) Traum zu verwirklichen.
Dass das über kurz oder lang schief geht, ist klar. Aber wahnsinn, wie lange sie es aushält und versucht. So oft denkt man 'Mensch Mädel nun sag doch einfach was', aber wer weiß wie man es selber in der Zeit in dem Alter gehändelt hätte. Zumal dieses Vorgehen an Lydias eigenes Versprechen nach dem Verschwinden der Mutter geknüpft ist.
Schwierig finde ich auch das Verhältnis der anderen Geschwister zu ihren Eltern, sofern man überhaupt noch von Verhältnis sprechen kann. Das Nath alles tut um endlich ein eigenes Leben zu bekommen, ist da allzu verständlich. Und Hannah lebt eigentlich nur als Schatten und stiller Beobachter. Die Eltern sind vollkommen auf Lydia fixiert, mit unterschiedlichen Erwartungen. Der Vater, der selber immer Außenseiter war, will dass sie ein Teil des Ganzen ist, mit der Masse mitschwimmt. Ihre Mutter hingegen, dass sie etwas besonderes ist/bleibt. Diese Zerrissenheit der Parteien wird allerdings erst ziemlich am Ende klar, obwohl anfangs schon festgestellt.
Ein sehr gutes Familiendrama mit dem eindeutigen Fingerzeig, dass man immer sagen sollte was man sich wünscht und denkt, ansonsten wird man sehr unglücklich.