Humorvolle Immersion

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claudi9i Avatar

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Jean-Baptiste Andrea gelingt mit seinem Roman "Was ich von ihr weiß" ein Kunststück, das von der ersten Seite an fesselt – und das, obwohl wir den Protagonisten Mimo bereits zu Beginn seines Lebensendes kennenlernen. Dieser ungewöhnliche Schachzug erweist sich jedoch keineswegs als spoilernd, sondern vielmehr als Einladung, Mimos Lebensgeschichte aus einer einzigartigen Perspektive zu entdecken.

Und eintauchen, ja, das tut man wahrlich. Andrea besitzt eine bemerkenswerte Gabe, den Leser mitten in Mimos Welt zu versetzen. Durch seine lebendige und detailreiche Erzählweise vergisst man schnell die äußere Realität und folgt Mimos Erinnerungen wie einem intimen Gespräch mit einem alten Freund.
Besonders beeindruckend ist, wie der Autor mit Mimos Kleinwüchsigkeit umgeht.

Obwohl es ein prägender Teil seiner Identität ist, schafft Andrea es, dass der Leser – ähnlich wie Mimo selbst in vielen Momenten – diese körperliche Besonderheit in den Hintergrund treten lässt. Mimos Erlebnisse, seine Gedanken und Gefühle stehen im Vordergrund, und man begegnet ihm als einem komplexen und vielschichtigen Menschen, dessen Andersartigkeit zwar präsent ist, aber nicht seine gesamte Existenz definiert.

Eine faszinierende Entdeckung war für mich die zentrale Rolle der Bildhauerei. Andrea vermittelt auf wunderbare Weise die Leidenschaft und die intricacies dieses Handwerks, ohne dabei belehrend zu wirken. Man spürt Mimos Hingabe zur Formgebung und beginnt, diese Kunstform mit neuen Augen zu sehen.

Natürlich dürfen in einer Lebensgeschichte die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht fehlen, und auch hier überzeugt Andrea auf ganzer Linie. Insbesondere die Figur der Viola verleiht der Erzählung eine zusätzliche Tiefe und eröffnet neue Blickwinkel. Ihre Interaktionen mit Mimo sind von einer besonderen Intensität geprägt und tragen maßgeblich dazu bei, die Komplexität menschlicher Verbindungen zu beleuchten.

Jean-Baptiste Andrea hat einen Roman geschaffen, der noch lange nachhallt und den Leser mit einer reichen Fülle an Gedanken und Emotionen zurücklässt. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich auf eine ungewöhnliche, aber zutiefst lohnende literarische Reise begeben möchten.