Wenn Teile von Dir fehlen...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
justm. Avatar

Von

Was würdest Du tun, wenn Du plötzlich ohne einen Teil Deiner selbst wach werden würdest? Um genauer zu sein, ohne die letzten fünf Jahre Deines Lebens?
Diesem Problem muß sich Teresa stellen, die sich, nach einem Sturz, plötzlich im Krankenhaus und mit der Diagnose "retrograde Amnesie" wiederfindet.
Wobei "wiederfinden" es ganz gut trifft, denn Teresa bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die mühsame Suche nach geliebten Menschen, den damit verbundenen Erinnerungen und, letzten Endes auch, sich selbst zu begeben, um so das Puzzle ihrer Vergangenheit Stück für Stück wieder zusammenzusetzen.


Kristina Moninger erzählt auf knapp 440 Seiten, die Geschichte einer Frau, die nicht nur einen Teil ihrer Erinnerungen, sondern, darüber hinaus, noch sehr viel mehr verloren hat.
Und so ist "Was wir sehen, wenn wir lieben" gleichzeitig Liebesgeschichte, ein wenig Krimi, (Familien-)Drama und irgendwie auch ein wenig Anleitung zum Leben.

Trotz gewisser, durch die Geschichte bedingte, Dramatik wirkt das Buch an keiner Stelle kitschig oder von Gefühlen bzw. Nebenschauplätzen überfrachtet.
Man kann sich nicht nur in die (sicher nicht ganz alltägliche) Geschichte, sondern auch in jede einzelne Figur hineinversetzen.
Allen voran natürlich Teresa, mit der man als Leser liebt, lebt und leidet. Und von Anfang an ist man, wie in einem guten Krimi, zusammen mit ihr, darauf bedacht, die Puzzle-Teile der letzten Jahre zu finden, um diese, mit ihr gemeinsam, zu einem stimmigen Bild zusammenzusetzen.
Dabei mag dieses Gesamtbild letztendlich zwar nicht unbedingt überraschend daherkommen, aber der Weg dort hin, von Einsamkeit über Liebe und Tod, hin zu Gefühlen von Zerrissenheit, Verzweiflung, Verliebtsein und Trauer, ist einfach wunderschön und an manchen Stellen sogar beinahe ein wenig poetisch.

Alles in allem ein Roman, der einen durch das ganze Spektrum der menschlichen Emotionen schickt. Ein Roman, bei dem man vorsichtshalber Taschentücher parat haben sollte.
Und ebenso ein Roman, den man nicht vor dem Schlafengehen anfangen sollte, da man ihn einfach ungern aus der Hand legen möchte, bevor man nicht auch die letzte Seite umgeblättert hat.

Diesen positiven Gesamteindruck kann nicht einmal das ab und an nervige Münchner Lokalkolorit zerstören und so bleibt nur eine unbedingte Lese-Empfehlung.