Gewollt literarisch, aber auch unterhaltsam

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adnava Avatar

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„Weil da war etwas im Wasser“ sprach mich direkt vom Cover und vom Titel her an. Ich mag Unterwassergeschöpfe und der Titel klang so schön mysteriös. Was mich ebenfalls ansprach, war die aussergewöhnliche Erzählperspektive – denn es handelt sich hier nicht um einen „Ich“-Erzähler, sondern um einen „Wir-Erzähler“.

Wer jedoch nach dem Lesen des Klappentexts eine Geschichte erwartet, in welcher ein Riesenkalmar ein Unterwasserkabel berührt und seine Arme dann aus ihrer Perspektive Geschichten zu erzählen beginnen – der liegt grundsätzlich ziemlich falsch. Denn die Geschichte des Kalmars ist die rahmengebende Erzählung; innerhalb des Buches werden aber verschiedene Erzählformen (Tagebuch, Erzählung, Essay, Sachbuch etc.) aufgegriffen, die dann jeweils gar nicht mehr durch das Unterwassergeschöpf fokalisiert sind.

Vielmehr lesen wir über Sanja, die ein Praktikum macht auf einem Krill-Kutter, wie sie dann später Dagmar kennenlernt – wie alles irgendwie zusammenhängt. Wie der Mensch in Relation zum Ökosystem Meer steht. Und der Kalmar, oder besser: seine Arme, halten die Geschichte zusammen.

Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass man das Buch nicht linear lesen muss bzw. geradezu dazu aufgefordert wird (z. B. durch Fussnoten), im Buch zu blättern und an einer anderen Stelle weiterzulesen, einzusetzen oder einen Exkurs dorthin zu machen.

Dieses literarische Spiel mit der Medialität des Buches machte mir Spass und erinnerte mich an jene Bücher, welche ich als Kind las, in denen man sich entscheiden musste, welchen Weg man im Buch nahm.

Was mir dort gut gefiel, ärgerte mich an anderen Stellen – und zwar, dass man merkte, wie die Geschichte teilweise stark geplant und von einem „Wortschmied“ verfasst worden war. Ich habe mittlerweile gelesen, dass das Buch für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert ist und das verwundert mich keineswegs. Mir war es oft zu viel.

Dass immer wieder sexuell aufgeladene Passagen vorkamen, die meiner Meinung nach nichts zum Geschichtsverlauf beitrugen, störte mich besonders. Das Ende des Buches versucht zwar, dies zu rechtfertigen oder dem ganzen einen Rahmen zu geben, aber wenn es erklärt werden muss, hätte es auch weggelassen werden können.

Dass viele Geschichten nicht richtig fertig erzählt wurden, dass ständig zwischen den Perspektiven gewechselt wurde und dass der zeitliche Raum stark gedehnt, ja gerade zu gewollt verworren wurde, fand ich nicht schlimm, aber trotz allem etwas „aufgesetzt“. Und die zahlreichen Meta-Anspielungen auf die Zweifel und Gedanken von Schreibenden waren mir ebenfalls zu viel. Irgendwann reicht es auch, dass ein Autor seine Sorgen übers Autorsein in sein Werk einfliessen lässt.

So, wie die mehrstimmige Erzählweise einen herausfordert, fördert das Buch auch den eigenen Lerninstinkt. Es gibt ein ziemlich tolles Kapitel rund um Nachhaltigkeit. Manches fand ich so interessant, dass ich später mehr dazu recherchierte.

Ich gebe zu, einige Male hätte ich das Buch fast zur Seite gelegt und es nicht zu Ende gelesen. Gerettet hat es, dass es immer wieder Passagen gibt, die so flüssig und gut geschrieben sind, dass man gar nicht bemerkt, wie man Seite um Seite umschlägt. Davon hätte ich mir natürlich mehr gewünscht.

Alles in allem: „Weil da war etwas im Wasser“ gehört zu jener Sorte Literatur, die zeigt, dass sie Literatur ist und sein will. Manchmal fand ich die eingesetzten Stilmittel und Erzählmethoden des handwerklich durchaus geschickten Autors unterhaltsam, an anderen Stellen zu gewollt und aufdringlich. Was ich mitnehme vom Buch ist das Gefühl, dass alles miteinander verbunden ist. Dass die Beziehungen untereinander das grössere Bild ergeben. Ich gebe diesem Buch 3 von 5 Sternen und empfehle es Lesenden, die literarisch herausgefordert werden möchten und vielleicht ab und zu selber zu den Schreibenden gehören.