Identität, Zugehörigkeit
Zazie ist Mitte 20, hat gerade ihren Master geschafft und arbeitet im Jugendzentrum. Ihre Themen, die ihr gesamtes Denken und teilweise auch impulsives Verhalten bestimmen, sind Rassismus, Sexismus und Kapitalismus. Sie fragt sich angesichts dessen, ob sie mit ihrem ziemlich vorbildlichen „white boy“, dem Schreiner Max, eine Zukunft haben kann und mit einer Promotion den Weg in die Wissenschaft anstreben soll. Ihre Schwester Dieo, ein paar Jahre älter als Zazie, macht gerade eine Psychoanalyse-Ausbildung, um als Kindertherapeutin zu arbeiten. Mit ihren drei Söhnen zwischen Kita und Mittelstufe ist sie schon seit einiger Zeit im Familienuniversum gelandet. Ihr Ehemann Simon, Anfang 40, hat vor einem Jahr einen Jobwechsel in die Fintech Branche hingelegt, neigt immer mehr zu Midlife Crisis Verhalten wie zweifelhaften Statuskäufen, aber querfinanziert zugleich Dieos Ausbildung und das Leben im schicken Frankfurter Familienkiez. Eigentlich ist Simon ein liebevoller Partner und Vater, aber er räumt sehr häufig seinem Job die Priorität gegenüber familiären Absprachen, die Dieo zeitliche Freiräume für die Ausbildung geben sollen, ein. Damit hadert Dieo.
Das Verhältnis der Schwestern zu ihrer Mutter Ulrike, einer Psychoanalytikerin, die die beiden allein großgezogen hat, ist schwierig. Ulrike agiert ziemlich rücksichtslos gegenüber den Bedürfnissen ihrer Töchter. Auch gegenüber den Bedürfnissen des Vaters von Zazie und Dieo, dem sie Dieo jahrelang vorenthalten hat. Papis, der Vater, ist ein Nietzsche-begeisterter Philosoph, der aus dem Senegal nach Deutschland kam, und arbeitet mit viel Engagement aber anscheinend eher geringem Erfolg als Übersetzer großer Werke.
Als Papis plötzlich stirbt, müssen beide Schwestern nach Dakar fahren. Für Dieo ist es die erste Reise in den Senegal, obwohl ihre Großmutter dort sich schon seit vielen Jahren wünscht, sie überhaupt einmal kennenzulernen. Zazie hingegen war schon ein paarmal da, ist auch schon ziemlich vertraut mit der Familie und dem Leben im Senegal. Für Zazie ist die Reise eine Bereicherung und Vertiefung ihrer in den letzten Jahren schon begonnenen Entwicklung, für Dieo anscheinend (was ich nicht so überzeugend finde) die erste tiefere, vielleicht auch nur die erste bewusst gelebte, Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Teil ihrer Identität.
„Übermächtige Mütter und abwesende Väter gehören zusammen“ - dieser Satz gibt Dieo einen wichtigen Denkanstoß. Dieo bleibt mit ihren Überlegungen überwiegend im Familienuniversum verankert, Zazie widmet sich stärker (identitäts)politischen Fragen. Dieos (und Simons) eher unkritische Haltung gegenüber Zazies Themen führt immer wieder zu Dissonanzen zwischen ihnen, die die Autorin gut auffächert. Auf den Punkt bringt das Dieo irgendwann mit der Frage: „Bin ich die Einzige, die sich hier immer wie eine blöde, ungebildete Hinterwäldlerin fühlt, weil ich diesen ganzen woken BiPoc-pick-me-Kram nicht kenne?“ Was die Autorin nicht thematisiert ist aber die Ironie, dass Zazie zwar u.a. Kapitalismuskritik vor sich herträgt, letztlich aber sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits eine offenbar privilegierte Herkunft hat und letztlich dank ihrer inzwischen eher saturierten Schwester auch von deren Wohlstand und dem ihrer Mutter sowie der Familie ihres Vaters partizipiert.
Die Abschnitte des Buchs werden jeweils abwechselnd aus der Perspektive einer der Hauptfiguren erzählt, was deren Persönlichkeiten und Widersprüchlichkeiten sehr gut herausstellt.
Die Autorin ist selbst Psychoanalytikerin mit Wurzeln an den Orten der Handlung des Romans. Es lässt sich also spekulieren, dass auch ein bisschen Autobiografisches in die Geschichte verwoben wurde. Psychoanalyse ist immer wieder Thema.
Identitätsfindung interessiert mich schon immer. Das war für mich auch der Reiz des Buches: Ein unterhaltsamer Gegenwartsroman, im Hier und Jetzt geschrieben, der aktuelle politische Debatten nicht ausspart. Manches bleibt im Name Dropping hängen, was meinen Erwartungen nicht ganz gerecht wurde; vielleicht auch nicht dem mutmaßlich großen Anspruch der Autorin.
Gut gefällt mir auch das Cover des Buches von Barbara Thoben, die schon einige tolle Buchtitel für KiWi gestaltet hat.
Das Verhältnis der Schwestern zu ihrer Mutter Ulrike, einer Psychoanalytikerin, die die beiden allein großgezogen hat, ist schwierig. Ulrike agiert ziemlich rücksichtslos gegenüber den Bedürfnissen ihrer Töchter. Auch gegenüber den Bedürfnissen des Vaters von Zazie und Dieo, dem sie Dieo jahrelang vorenthalten hat. Papis, der Vater, ist ein Nietzsche-begeisterter Philosoph, der aus dem Senegal nach Deutschland kam, und arbeitet mit viel Engagement aber anscheinend eher geringem Erfolg als Übersetzer großer Werke.
Als Papis plötzlich stirbt, müssen beide Schwestern nach Dakar fahren. Für Dieo ist es die erste Reise in den Senegal, obwohl ihre Großmutter dort sich schon seit vielen Jahren wünscht, sie überhaupt einmal kennenzulernen. Zazie hingegen war schon ein paarmal da, ist auch schon ziemlich vertraut mit der Familie und dem Leben im Senegal. Für Zazie ist die Reise eine Bereicherung und Vertiefung ihrer in den letzten Jahren schon begonnenen Entwicklung, für Dieo anscheinend (was ich nicht so überzeugend finde) die erste tiefere, vielleicht auch nur die erste bewusst gelebte, Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Teil ihrer Identität.
„Übermächtige Mütter und abwesende Väter gehören zusammen“ - dieser Satz gibt Dieo einen wichtigen Denkanstoß. Dieo bleibt mit ihren Überlegungen überwiegend im Familienuniversum verankert, Zazie widmet sich stärker (identitäts)politischen Fragen. Dieos (und Simons) eher unkritische Haltung gegenüber Zazies Themen führt immer wieder zu Dissonanzen zwischen ihnen, die die Autorin gut auffächert. Auf den Punkt bringt das Dieo irgendwann mit der Frage: „Bin ich die Einzige, die sich hier immer wie eine blöde, ungebildete Hinterwäldlerin fühlt, weil ich diesen ganzen woken BiPoc-pick-me-Kram nicht kenne?“ Was die Autorin nicht thematisiert ist aber die Ironie, dass Zazie zwar u.a. Kapitalismuskritik vor sich herträgt, letztlich aber sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits eine offenbar privilegierte Herkunft hat und letztlich dank ihrer inzwischen eher saturierten Schwester auch von deren Wohlstand und dem ihrer Mutter sowie der Familie ihres Vaters partizipiert.
Die Abschnitte des Buchs werden jeweils abwechselnd aus der Perspektive einer der Hauptfiguren erzählt, was deren Persönlichkeiten und Widersprüchlichkeiten sehr gut herausstellt.
Die Autorin ist selbst Psychoanalytikerin mit Wurzeln an den Orten der Handlung des Romans. Es lässt sich also spekulieren, dass auch ein bisschen Autobiografisches in die Geschichte verwoben wurde. Psychoanalyse ist immer wieder Thema.
Identitätsfindung interessiert mich schon immer. Das war für mich auch der Reiz des Buches: Ein unterhaltsamer Gegenwartsroman, im Hier und Jetzt geschrieben, der aktuelle politische Debatten nicht ausspart. Manches bleibt im Name Dropping hängen, was meinen Erwartungen nicht ganz gerecht wurde; vielleicht auch nicht dem mutmaßlich großen Anspruch der Autorin.
Gut gefällt mir auch das Cover des Buches von Barbara Thoben, die schon einige tolle Buchtitel für KiWi gestaltet hat.