Den Weißen droht Tod

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mammutkeks Avatar

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So zumindest lässt sich der Titel des neuen Krimis von Liza Marklund noch umdeuten, um eine Logik hineinzubringen. Denn "Weißer Tod" hat so gar nichts mit dem teilweise verstörenden Inhalt zu tun. Dafür aber der Tod, mit dem Thomas Samuelsson bedroht ist. Er wurde als ein Mitglied einer internationalen Delegation im Grenzgebiet zwischen Somalia und Kenia gekidnappt. Eigentlich ein harmloser Ausflug, an dem er sich weiter an das englische Delegationsmitglied Catherine heranmachen wollte, nun aber lebensbedrohlich für ihn und die weiteren Teilnehmer. Denn nur mit Geld, viel Geld, sind die Entführten zu befreien.

Annika Bengtzon ahnt zur gleichen Zeit nichts vom Schicksal ihres Mannes. Sie geht ihrem Job als Journalistin für das "Abendblatt" nach und ist am Tatort eines Mordes in der Nähe einer Kita im Stockholmer Stadtteil Axelsberg unterwegs. Im Gegensatz zum heißen, ungemütlichen Klima in Ostafrika ist es in Stockholm eisig kalt, ein Schneesturm droht und der Verkehr scheint zusammenzubrechen.

Die Unterschiedlichkeit der Themen und die Perspektivwechsel sind die wichtigsten stilistischen Merkmale dieses neuen Annika-Bengtzon-Krimis von Liza Marklund. Dabei wechselt nicht nur die Erzählperspektive, sondern auch die Erzählart. Thomas berichtet in dichten, emotional aufgeladenen Worten von seiner Entführung, von den bedrohlichen Bedingungen und von den Qualen, die ihm auferlegt werden.

Dagegen sind die Erzählstränge aus Perspektive von Anders Schyman, dem müden, überlasteten und unzufriedenen Chefredakteur des Abendblatts nüchterner gehalten. Der Redakteur sieht sich und seine Arbeit durch die Schnelllebigkeit der neuen Medien gefährdet - und sieht eigentlich auch keinen Platz mehr für eine Reporterin vom alten Schlag, wie es Annika ist. Diese Unzufriedenheit ist charakteristisch für viele der "altgedienten" Journalisten - nicht nur in Schweden, die in Internet und Co. eine Gefährdung ihrer Arbeit sehen. Und das auch nicht zu Unrecht! Allerdings ist diese Medienkritik, die auch das Umgehen von Annikas Freundin Anna Snaphane umfasst, für mich etwas fehl am Platze. Nicht, dass ich sie in ihren Grundzügen nicht teilen würde, aber in "Weißer Tod" erhält sie nicht den Rahmen, den sie eigentlich bräuchte.

 

Ähnliches gilt für die inhärente Kritik an der Afrikapolitik Schwedens und der ganzen westlichen Welt. Diese ist ja im Buch Grund dafür, dass Thomas und die anderen Delegationsteilnehmer entführt wurden. Doch vermischt Marklund zu viel Faktenwissen, z.B. über den Völkermord in Ruanda, die Piratenangriffe aus Somalia, die abwartende Haltung der westlichen Industrienationen, ohne dabei richtig auf den Punkt zu kommen. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass solche politischen Positionen einem Krimi gut zu Gesicht stehen, aber bei Marklund fehlt mir diesmal einfach zu viel, um ein grundsätzliches Verständnis der Situation zu bekommen.

Dagegen ist die Entwicklung, die Annika im Verlauf der inzwischen 9 Bände der Reihe gemacht hat, nur zu verständlich. Sie ist nicht mehr die lebenslustige junge Frau, die in "Olympisches Feuer" oder "Studio 6" mehr zufällig die Kriminalfälle löst und darüber berichtet, sondern sie ist vom Leben verbittert. Von ihrer Familie ist sie nur enttäuscht, wahre Freunde hat sie nicht - und Thomas geht fremd. Da bleiben nur noch die Kinder und die Arbeit, doch auch dort muss sie plötzlich nicht mehr vernünftig recherchieren, sondern die Geschichten so aufbereiten, dass sie auch über Socialmedia, Twitter, Youtube und Co. zu senden sind.

Insgesamt hat mir an vielen Stellen die tiefergehende Beschäftigung mit dem gewählten Thema gefehlt, waren es mir zu viele Aspekte, die nicht ausreichend gewürdigt wurden. Immerhin wird auch der Frauenmord vom Anfang noch aufgelöst, die offenen Fäden miteinander verknüpft.

Durch den gut lesbaren Stil hatte ich auch keine Probleme mit der Länge des Buches, skandinavische Namen finde ich ebenfalls nicht problematisch. Doch bleibt ein gemischtes Fazit nach der Lektüre - und keine richtige Empfehlung.