"Ich hatte keine Angst."

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theresia626 Avatar

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Mit diesem Satz beginnt der Kriminalroman „Weißer Tod“ von Liza Marklund. Er stammt von Thomas Samuelsson, der als Ich-Erzähler zu Wort kommt. Thomas hatte eine Stelle im Justizministerium als Referent für Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten bei Migranten; für Flüchtlings-, Ausländer- und Asylpolitik erhalten. „Kein sonderlich glanzvoller Posten.“ S. 21 Jetzt befand er sich zu einer Frontex-Konferenz in Nairobi. Frontex ist eine Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union mit Sitz in Warschau. „Es geht um die erweiterte Zusammenarbeit an den Grenzen zu Europa.“ S. 23 Nach vier Tagen schließt er sich freiwillig als schwedischer Delegierter einer Erkundungsreise nach Liboi an. Die Delegation besteht aus sieben Mitgliedern verschiedener EU-Staaten, Dolmetscher, Sicherheitskräften und Fahrern. Thomas sollte sich ein Bild machen, wie die Grenzüberwachung nach Somalia funktioniert und darüber dann auf der Konferenz berichten. Doch dazu kommt es nicht mehr. Die Delegation wird an einer fingierten Straßensperre gekidnappt, der Bodyguard und der Dolmetscher werden erschossen, ein Fahrer kann entkommen. Die Peilsender wurden von den Autos entfernt. Es besteht keinerlei Verbindung mehr zu den Entführten. Sie werden an der Grenze zwischen Kenia und Somalia – einem Krisengebiet – unter erniedrigenden Bedingungen gefangen gehalten.

 Zur gleichen Zeit, es ist Winter in Stockholm, liegt hinter einer Kita in Akelsberg die Leiche einer jungen Frau. Annika wird trotz des seit kurzem abhörsicheren Polizeifunksystems RAKEL von ihrer Zeitung, dem „Abendblatt“, informiert. Sie wittert eine große Story, denn immerhin ist das schon der vierte Mord seit ihrer Rückkehr nach Schweden. Alle vier getöteten Frauen kamen aus Stockholm und alle wurden erstochen. Ihre Recherchen muß sie jedoch unterbrechen. Jimmy Halenius, der Chef von Thomas, überbringt ihr die erschütternde Nachricht, daß Thomas von einer noch unbekannten Gruppe in Kenia entführt wurde. Eine private Katastrophe bricht über sie herein. Staatssekretär Jimmy Halenius baut die Entführungszentrale in Annikas Schlafzimmer auf. Völlig von ihrer Familie alleingelassen, kann sie sich nur der Unterstützung ihrer Kollegin Berit Hamrin sicher sein. Ihre einzige Freundin, Anne Snapphane, wird zu einer bitteren Enttäuschung. Annika versucht, das geforderte Lösegeld von 40 Millionen Dollar aufzutreiben und fliegt mit Jimmy Halenius nach Nairobi. Ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Liza Marklund hat einen spannenden, aufrüttelnden, dramatischen und sehr gut recherchierten Politthriller geschrieben. Die Geschichte ist interessant aufgebaut, erstreckt sich über 10 schicksalhafte Tage und läßt sich schnell und flüssig lesen. Der vorliegende 9. Band um Annika Bengtzon war für mich eine Premiere, die Vorgängerromane habe ich nicht gelesen. Auch wenn der Klappentext den Leser etwas in die Irre führt, wird er mit einem gut durchdachten Plot belohnt. Hauptpersonen in „Weißer Tod“ sind Annika und ihr früherer Ehemann Thomas und der Leser erhält Einblick in die Jagd des Zeitungschefs Anders Schyman nach auflagenträchtigen Storys (… man gewann keinen Auflagenkrieg, wenn man die Dinge dem Zufall überließ.) S. 182 Die Autorin ist sehr um Authentizität bemüht. Sie beschäftigt sich u.a. mit Themen wie Gewalt an Frauen in der Ehe, dem Völkermord in Ruanda, der schier ausweglosen Situation der Entführten und die Unerträglichkeit der Geiselhaft. Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel „Du gamla, du fria“ („Du alter, du freier…“) und ist auch der Name der schwedischen Nationalhymne.  Der Epilog läßt den Schluß zu, daß die Autorin an einer weiteren Folge arbeitet. Interessante und stellenweise sehr grausame Lektüre, die sich aber zu lesen lohnt.