Jägerin und Gejagte

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Ein Schwedenkrimi mit viel Kälte und Spannung. Eine Journalistin als Jägerin von kriminellen Fällen und nun auch einmal von der eigenen Zunft Gejagte, das Ganze mit hochbrisanten Zutaten einer Entführung im afrikanischen Krisengebiet und Gewalt gegen Frauen, das ist schon eine gute Story.

Allerdings: Der Titel "Weisser Tod" ist meines Erachtens ungünstig gewählt. Zwar wird eine Frauenleiche im Schnee gefunden und die Journalistin Annika Bengtzon ist zufällig vor Ort. Sie gibt einen ersten Eindruck in der Redaktion weiter, u.a.. auch den Hinweis, dass in letzter Zeit mehrere Frauen auf ähnliche Weise ermordet aufgefunden worden sind. Es stellt sich die Frage, ob ein Serienmörder am Werke ist. Doch sie selber kommt kaum noch dazu zu recherchieren, wir erfahren statt dessen, wie ihre Kollegen damit umgehen.

Doch dieser Handlungsstrang gerät zunehmend ins Abseits. Denn fast zeitgleich erhält Annika die Nachricht, dass ihr Mann Thomas, der mit einer europäischen Delegation in Afrika unterwegs ist, in Nairobi entführt worden ist. Und damit hat sie ganz andere Sorgen. Und die nehmen dann auch breiten Raum ein, sind der eigentliche Fall in diesem Krimi.

Das Cover verbindet vielleicht noch beide Fälle, die Farbe weiß für den Schauplatz in Schweden, der Dornenast für die karge Wüstenlandschaft in Afrika. Das finde ich zwar gelungen, aber inhaltlich stellte sich mir mehrfach die Frage, was der Frauenmordfall überhaupt hier zu suchen hat, zumal er immer nur am Rande erwähnt wird. Allenfalls dient er dazu, die rein auf Auflage bedachte Zeitungsmache näher zu beleuchten.

Die Handlung wird aus 3 Perspektiven vorangetrieben :

Thomas vor Ort schildert einerseits die rücksichtslosen und teils sehr grausamen  Praktiken der Entführer, denen es vor allem darum geht, Geld herauszupressen, ein Menschenleben ist hier nicht viel wert. Andereseits erfahren wir die emotionale Situation des Entführten, das bange Hoffen,  heil aus dieser Situation herauszukommen, aber auch das Hoffen, sein Familienleben wieder in eine gute Spur zu bringen.

Annika bekommt Unterstützung von Thomas' Chef Jimmy Halenius, der die Verhandlungen mit den Entführern führt und Annika auch emotional unterstützt. Das gipfelt in einer gemeinsamen Reise in das Krisengebiet, um das Lösegeld zu übergeben und Thomas herauszuholen. Aber auch ihre persönliche Situation mit dem notorischen Fremdgänger Thomas, den eher unloyalen Familien der beiden und das Problem, das Ganze ihren Kindern in angemessener Weise zu erklären, wird hier aus Annikas Sicht ausgebreitet und verdeutlicht ihre aufgewühlte Ausnahmesituation.

Der Chefredakteur des Abendblatts, Anders Schymann, will in absehbarer Zeit in Rente gehen und das Blatt noch auf die Höhe führen, bevor er geht, so dass die Auflagensteigerung  höchste Prorität hat. Er kann die Lösegeldsumme, die Annika niemals auch nur annähernd aufbringen kann kann,  sogar aufstocken , um im Gegenzug von ihr einen Exclusivbericht zu bekommen. Aus Sicht der skrupellosen Zeitungsmacher ist die Mordserie auch am besten als Werk eines Serientäters zu vermarkten, wenngleich sich auch Anzeichen ergeben, dass hier eskalierte häusliche Gewalt im Spiel sein könnte. So würde Annika denn auch gerne weiterrecherchieren, hätte sie nicht ihren ganz persönlichen Fall.

Vielleicht ein Ausblick auf die Zukunft von Annika Bengtzon, die hier am eigenen Leibe erfährt, wie es ist,   von Journalisten gejagt zu werden, die zwar weiß, es aber nun mal von der anderen Seite mitbekommt, dass es Journalisten gibt, denen es nur um Auflage geht und gar nicht immer  um die Wahrheit. Auch die persönliche Situation von Annika's Beziehung zu Thomas bleibt eher offen, so dass sicherlich ein weiterer Roman diese Thematik aufgreifen wird.

Alles in allem zwar sehr spannend, vor allem durch den Perspektivenwechsel, wodurch verschiedene Seiten beleuchtet werden können, für mich aber mitunter schon an der Grenze des Erträglichen. Die gesellschaftskritische Komponente hat für mich den Umstand, dass Titel und Klappentext und tatsächlicher Verlauf etwas auseinanderdriften, einigermaßen wettgemacht. Und das offene Ende hinsichtlich Annikas Zukunft in zweifacher Hinsicht weckt schon mein Interesse  an einer weiteren Folge mit Annika Bengtzon.