Überraschend verlockend

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nahadriel Avatar

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Die Charaktere sind mal von bestechender Klarheit in ihrer Distanz zum eigenen Erleben, mal von ruhiger Empathie, mal von verletzlicher Zerbrechlichkeit.
Und die Befähigung der Autorin drei so unterschiedliche Charaktere auf gut dreißig Seiten zu zeichnen, die alle authentisch und nachvollziehbar gezeichnet sind, beeindruckt. Dass dies nicht nur bei den - mutmaßlich wichtigsten - Protagonisten gelingt zeigt sie mit leichter Hand in der Darstellung der Sozialarbeiterin, die sie sogar auf weniger als zwei Seiten voll Charakter und Eigenart mit wenigen Strichen überraschend detailreich skizziert.

Es wird weniger Wert auf Umgebungsbeschreibungen und weitschweifige Betrachtungen des Geschehens gelegt, doch alles bleibt mit präzisem Stich klar geschildert durch die Beobachtungen des je sprechenden Charakters in geschickt gewählter Wortwahl, die der Leser jederzeit mühelos mit Details füllen kann.

Die Art der Altersbetrachtung erinnerte bisweilen an "Nein! Ich will keinen Seniorenteller!" ist dabei aber zugleich noch mehr eine sanfte Skizze eines tiefen Tableaus.

Ein Text, der insgesamt von scharfer wie sanfter Beobachtungsgabe zeugt. Und auch, wenn das Zusammenraufen so gegensätzlicher Charaktere ein bekanntes Motiv ist und daher sicher einiges Erwartbares auf uns warten wird, schafft es die Autorin so zum Lesen zu motivieren, sogar einzuladen.