Berliner Schnauze trifft Nordeekrabbe

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„Weit weg ist anders“ von Sarah Schmidt ist ein wunderschöner Roman, den ich gerne gelesen habe und den ich gerne weiterempfehlen möchte.
Die Autorin erzählt die Geschichte zweier älterer Frauen, die der Zufall oder doch das Schicksal zusammenführt.
Es ist die Geschichte von Edith Scholz, die ohne die Großstadtluft nicht leben kann, die nach dem Tod ihres Mannes nach dem Motto lebt: Frei sein heißt allein sein können.
Und die von Christel Jakobi, die ihr Leben in Husum verbracht hat obwohl sie das Meer hasst. Sie lebt nach der Scheidung von ihrem Mann ebenfalls alleine und sucht ihre Einsamkeit in Yogakursen und Handarbeiten erträglicher zu machen.

Die olle vermaledeite Teppichkante bringt die bärbeißige pragmatische Edith zu Fall und damit ins Krankenhaus, mit anschließender Reha auf Usedom. Hier trifft sie auf die feinfühligere etwas naiv anmutende Christel, die eine schwere Erkrankung in die gleiche Rehaklinik geführt hat.

Was zunächst wie eine Zufallsbekanntschaft erscheint, entwickelt sich später weiter als es Christel gelingt Edith auf ihre Seite zu ziehen und als Verbündete zu gewinnen.
Christels Familie strebt eine Heimunterbringung an, doch sie selbst möchte eine letzte große Reise machen und noch einmal ein Abenteuer erleben.
Eingesponnen in ein Netz aus Lügen machen sich die beiden Frauen auf den Weg nach Baden-Baden. Und Christel Jakobi klopft nicht nur ihre Chakren wach sondern auch die raue Schale von Edith Scholz weich.

Der Autorin ist eine einfühlsame, schöne Geschichte gelungen, mit Humor und ernsten Tönen an den richtigen Stellen. Mit treffend gezeichneten Figuren, neben Christel und Edith auch der wunderbare Oskar Mannstein.

Zwei kleine Kritikpunkte hätte ich anzumerken:
Das Cover ist mir zu modern gestaltet. Die Abbildung des Reisebusses finde ich eher irritierend, es passt nicht zur Geschichte.

Des weiteren hätte ich es gut gefunden, wenn Christels Tochter Kim mehr Raum bekommen hätte, um ausführlicher über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen.

Der Roman ist nicht unbedingt nur etwas für ältere LeserInnen sondern für die nachfolgende Generation. Für die, deren Eltern jetzt alt werden und die sich in völlig neuen und unbekannten Rollen und Situationen wiederfinden und ebenso sprachlos sind wie Christel Jakobis Familie.