Herausragende Literatur...

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an_der_see Avatar

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Es gibt Autoren auf dessen neue Bücher ich sehnsüchtig warte, die allerdings nicht zu den Vielschreibern gehören. Einer dieser Autoren ist Nathan Hill und die Freude war riesig, als ich hier bei Vorablesen sein neues Buch entdeckte. Seit ich 2016 sein Buch „Geister“ las, wartete ich gespannt auf ein weiteres Werk von Nathan Hill und konnte nun endlich wenigstens schon einmal die Leseprobe lesen.
Wir werden in das Jahr 1993 geführt, nach Chicago, es ist Winter und wir begegnen dem Fotografen Jack Baker und der Studentin Elizabeth Augustine. Sie wohnen einander gegenüber in einem Haus oder Gebäudekomplex, dass ursprünglich eine Fabrik war, dann ein Lagerhaus und dann jahrelang leer stand. Es soll wieder hergerichtet werden, günstige Wohnungen für Künstler, Studenten, Kreative. Der Prozess des Wiederherrichtens wird von Jack fotografisch begleitet.
Jack und Elizabeth beobachten sich gegenseitig durch ihre Fenster ohne zu wissen, dass sie von dem anderen beobachtet werden. Elizabeth hat ihre Kindheit in den Vororten großer Ostküstenstädte verbracht, ist auf Privatschulen gegangen und als junge Erwachsene vor dem Geld ihrer Familie geflüchtet, vor der Gier die dieses Geld auslöst, dem Konkurrenzkampf. Kopfüber wollte sie sich in die Boheme Chicagos stürzen.
Jack kommt ursprünglich aus Kansas, fühlt sich als provinziell und gewöhnlich; Elizabeth nicht würdig, die er für belesen, kultiviert und weltgewandt hält. Er beobachtet was sie liest, welche Musik sie hört, liest ihr diese Bücher nach, hört die gleiche Musik. Auf der letzten Seite der Leseprobe begegnen sie sich das erste Mal, wechseln die ersten Worte miteinander...
Was für ein genialer Text. Ich hatte hohe Erwartungen an diese Leseprobe und diese wurden noch übertroffen. Ich finde es faszinierend, wie treffend Nathan Hill beschreibt, kann es kaum in Worte fassen. Er erzählt nicht nur, da ist viel mehr. Die Figuren sind mehr als lebendig, ihr Innenleben wird dargelegt auf eine sehr einfühlsame Art, kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig. Es gibt viele gute Autoren und Autorinnen, aber Nathan Hill gehört für mich zu den besten zeitgenössischen Autoren. Er läßt einen den Text fühlen. Das ist nicht nur, als wäre man dabei, es geht darüber hinaus. Die wachsende wortlose Verbindung zwischen Elizabeth und Jack, die Gedankenwelt der beiden, das alte Gebäude in dem sie wohnen, Jack beim Fotografieren, die Szene in einer Bar, in der alternative Musik gespielt wird – wie ein großes vielschichtiges Bühnenbild. Es gibt Autoren und Autorinnen die erzählen viel, sehr viel, aber lassen ihre Protagonisten nicht handeln oder anders, man merkt dem Handeln der Protagonisten nicht an, was über sie erzählt wurde. Bei Nathan Hill ist das anders, er zeigt auf und erzählt nicht drumherum. Ich brauche bei ihm keine Einlesezeit, die ersten Wörter der Geschichte und sie hat mich in ihren Bann gezogen und genauso ging es mir auch mit „Wellness“. Den Lesesog den ich bei „Geister“ empfunden habe, konnte ich auch bei der Leseprobe von „Wellness“ wieder erleben. Und die Spannung ist kaum auszuhalten, wie sich die Geschichte ausspannen, über wie viele Jahre der Leser durch das Leben von Jack und Elizabeth geführt wird, wie werden sie sich entwickeln, wie tief darf ich in das Wesen der Beiden eintauchen, welche anderen Charaktere werden auftauchen, in welchem Zusammenhang stehen sie, welche großen gesellschaftlichen und politischen Themen werden angesprochen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich „Wellness“ von Nathan Hill vorablesen, wenn ich vorab in die Geschichte eintauchen und den Roman erleben könnte.