Alles kommt raus?

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suse9 Avatar

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Anna findet ihren Freund Ludwig, der eine Überdosis Schlaftabletten genommen hat, bewusstlos zu Hause vor. Warum sie nicht sofort den Notarzt ruft, sondern sich neben ihn setzt und zu einer Generalabrechnung ansetzt, ist rätselhaft. Anna beginnt ihren Monolog und schon bald wird klar, dass die Beziehung der Beiden nicht funktioniert, nicht funktionieren kann. Sie sind zu verschieden. Warum sie dennoch zusammen lebten und es letztendlich in einer Katastrophe enden musste, sollte im Folgenden erklärt werden.

Ich freute mich sehr auf diesen Roman. Cover und Titel weckten mein Interesse, und ich erwartete eine Geschichte, die nach und nach ihr Geheimnis entblättern, in der ich mit jeder Seite ein paar Antworten auf meine Fragen bekommen würde. Arezu Weitholz begann dann auch so wie ich erhoffte, überraschend, erfrischend, ungewöhnlich und das Lesen bereitete unendliche Freude. Den Gedanken und Anklagen Annas folgte ich bereitwillig und wartete auf den alles erklärenden, alles offenlegenden Moment. Auch der Augenblick, in dem die Szenerie wechselte und zu den Geschehnissen, die einen Tag zurück lagen, ging, war mir willkommen. Es wurde zwar weiter aus Sicht Annas erzählt, die Monologform aber verlassen. Die Gedanken Annas sprangen hin und her und so auch die Geschichte. All dem war ich bereit zu folgen und es fiel mir auch leicht, war der Schreibstil doch einfach, aber nicht platt. Zunehmend jedoch musste ich erkennen, dass zwar viel erzählt aber  nichts gesagt wurde. Einzelheiten, die ich aus Annas und Ludwigs Leben erfuhr, brachten mich nicht weiter. Dem letzten Moment,  Ludwigs Entscheidung, Schlaftabletten zu nehmen, näherte ich mich nicht.  Ludwig blieb unsympathisch und Annas Verhalten unbegreiflich.  Ich konnte mich weder mit ihr identifizieren noch sie begreifen. Zunehmend ärgerten mich ihre Entscheidungen, ihre Selbstaufgabe, ihre Unterwürfigkeit. Schließlich begriff ich, dass sie einfach eine Frau ist, die ihr Leben nicht meistern kann und will. Sie ordnete alles diesem arroganten, nichtssagenden Schnösel unter, der sich in Beleidigungen erging, die sie alle ohne Widerspruch schluckte. Die Selbstverleugnung Annas ging so weit, dass sie nicht nur ihr Äußeres dem  Ludwigs anpasste, auch Freunde, die sie eigentlich nicht  ausstehen konnte, wurden übernommen. Des weiteren nervte mich die ordinäre wörtliche Rede. Sollte die Geschichte dadurch authentischer werden? Mit Schimpfwörtern wurde hier nur so herumgeworfen, dass mir die Haare zu Berge standen und einen Sinn, warum die Autorin ihren Protagonisten diese Redensarten in den Mund legte, erschloss sich mir nicht. Warum ließ sie ihre Helden derart dumm handeln und reden?

Am Schluss der Geschichte bleibe ich ratlos zurück. Ich lese, weil ich etwas mitnehmen will, seien es nun ungewöhnliche Gedanken, der Anreiz, über sich und sein Tun nachzudenken oder einfach nur das wärmende Gefühl, sich für eine Zeitlang zwischen den Zeilen wohlgefühlt zu haben. Nichts von all dem finde ich in diesem Roman und hatte es doch erwartet. Warum hat die Autorin die Story Annas und Ludwigs aufgeschrieben? Sollte sich ein tieferer Sinn dahinter verbergen, so habe ich ihn nicht finden können und das ist sehr schade. Enttäuscht schließe ich das Buch und hoffe, dass wenigstens Anna etwas aus dieser Erzählung mitnimmt.