Anna erzählt

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Anna steht nicht auf der Sonnenseite des Lebens: Ihr Vater hat sich das Leben genommen, ihre Mutter lebt in einem Pflegeheim. Dann beendet Annas Freund Ludwig eines Tages ihre gemeinsame Beziehung knapp mit den Worten “Es ist aus.” Kurze Zeit später findet sie ihn bewusstlos in seiner Wohnung, vollgepumpt mit Tabletten. Sie setzt sich neben ihn und erzählt. Berichtet aus ihrem Leben, spricht von der Zeit, als sie in Südafrika gelebt hat, redet vom Selbstmord des Vaters und über sich. Damit bricht sie die Sprachlosigkeit, die das ungleiche Paar im Alltag überzogen hat.

“Wenn die Nacht am Stillsten ist” von Arezu Weitholz ist ein ungewöhnliches Buch. Der Teil “Die Nacht” ist ein Monolog, den Protagonistin Anna am Bett des bewusstlosen Ludwig hält. Ihr Bericht sprudelt förmlich aus ihr heraus. Die Frage, inwieweit es realistisch ist, sich in einer solchen Situation hinzusetzen, dabei seelenruhig zu erzählen und nicht einfach den Notarzt zu rufen, soll hier einmal außen vor bleiben.

Der zweite Teil mit dem Titel “Der Tag zuvor” schildert, wie der Tag vor dem Ende der Beziehung und der Verzweiflungstat Ludwigs verlaufen ist. Anna besucht ihre Mutter im Pflegeheim. Der Leser erhascht dabei einen Blick auf die Insassen von “Sankt Annen”, die Probleme vor Ort und das Leben der Pflegebedürftigen, das so ganz anders verläuft als das der Menschen außerhalb der Mauern der Seniorenresidenz.

Ich persönlich hätte mir in diesem Buch mehr Struktur gewünscht und ein wenig mehr Atmosphäre. Teilweise wirkt der Roman bemüht, gekünstelt. Dennoch übt “Wenn die Nacht am Stillsten ist” eine ganz eigene, ja fast magische Faszination auf den Leser aus, die es nicht erlaubt, das Buch aus der Hand zu legen.