Arezu Weitholz, Wenn die Nacht am stillsten ist

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straßenprinzessin Avatar

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Ein gelungenes Buch in dem A. Weitholz radikal und zeitgleich poetisch über das Leben von Anna Born schreibt.

 

Das Cover finde ich sehr schön. Die schemenhafte Figuren-Malerei im Zusammenhang mit dem Titel „Wenn die Nacht am stillsten ist“ strahlt eine Ruhe aus, die auch auf den ersten Seiten der Geschichte wieder zu finden ist.

Nichtsdestotrotz hatte ich nach dem Lesen das Gefühl das Cover noch besser zu verstehen bzw. noch mehr hinein Interpretieren zu können.

So steht das halbe Frauen Gesicht, für mich, für Anna, die nur einen Teil von sich Preis gegeben hat und im Beisein von Ludwig auch nicht anders konnte als ihr eigenes Inneres zu verstecken.

Die Schemenhafte Männergestalt ist für mich Ludwig, der noch weniger von sich Preis gibt und niemanden ernsthaft an seinem Leben Teil haben lässt.

Das nah beieinander sein von Anna und Ludwig zeigt ihre Liebe, doch das unscheinbare spiegelt auch gleichzeitig wieder, dass ihre Beziehung etwas Geheimes ist, was nicht nach außen hin bekannt werden darf und somit auch nichts „ganzes“ sondern eher etwas „halbes“ ist.

Der Titel strahlt für mich auch weiterhin, wie oben schon beschrieben, Ruhe aus und schwirrt vor allem am Anfang während des Lesens einem im Hinterkopf herum.

Alles in allem ergibt es ein schönes Gesamtbild, was wie mit Öl Farbe gemalt aussieht, dabei ist der Titel etwas erhöht und in großen, schwarzen Druckbuchstaben geschrieben. Der Hintergrund ist weitestgehend in Hautfarbe, außer dem weißen Shirt von der Männer Silhouette sowie die schwarzen Haare der 2 Personen und das ebenfalls schwarze Auge der Frau.

 

Anna Born, eine Frau die viele Geheimnisse hat und schon einiges durchmachen musste, sitzt im Bett neben ihrem Freund Ludwig Faller, ein Spießer ersten Grades, der sich eine Überdosis Schlaftabletten geschmissen hat.

Warum ? Das weiß allein nur Ludwig, doch Anna sitzt neben ihm, Rätselt wie es dazu kommen konnte und erzählt.

Erzählt von sich, von ihrem Leben, von ihren Gedanken und Gefühlen.

Kann Ludwig sie hören ? Sie weiß es nicht und dennoch erzählt sie immer weiter und weiter.

 

Durch die Geschichten wurde mir Anna sehr schnell Vertraut und auch Ludwig konnte ich nach kurzer Zeit etwas besser einschätzen. Was mir dabei aufgefallen ist, ist die Unterwürfigkeit von Anna gegenüber Ludwig und das, obwohl er sie oft schlecht behandelt und mies zu ihr ist, sie zu ihm hält, Verständnis aufbringt und sein schlechtes benehmen sogar noch verteidigt.

Ich stell mir das ziemlich schwer und auch anstrengend vor und konnte es auch oft nicht wirklich nachvollziehen wieso sich jemand so etwas freiwillig antut.

Ist DAS wirklich Liebe ?

Irgendwie ein wenig zu Klischeehaft meiner Meinung nach, zeigt es doch, was viele wohl auch denken, dass es Frauen gibt die auf A\*\*\*\*\*\*\*\*er stehen, in der Hoffnung sie ändern zu können und mit der Gewissheit einen „Beschützer“ an seiner Seite zu haben.

 

Ludwig Faller kam mir sehr Derb und erbarmungslos vor. Nicht nur in seinem Verhalten zu Anna, sondern auch gegenüber seinen Kollegen und Freunden weißt er eine Oberflächlichkeit auf, die schon an einem Asozialen Verhalten grenzt. Seiner Meinung nach kann man niemanden vertrauen und die meisten dienen ihm eher als Mittel zum Zweck.

Diese Prinzipien scheint er auch in der Liebe zu haben und stößt alle vor den Kopf die ihn mal etwas mehr bedeuten könnten.

 

Anna Born hingegen ist das komplette Gegenteil zu dem versnobten Ludwig. Sie ist für eine Zeit lang nach Afrika ausgewandert und war als DJ unterwegs. Sie hat so einige Partys mitgemacht und auch Erfahrungen mit verschiedenen Drogen kamen in ihrem Leben vor. Begleitet wurde sie dabei von eher skurrilen Freunden die für Ludwig niemals in Frage kommen würden. Auch sonst scheint Anna das Leben locker zu nehmen.

Zumindest bis zu dem Tag als sie Ludwig kennenlernte.

Mir kam es durch ihre Erzählungen so vor als ob sie mit einmal ein ganz anderer Mensch nun geworden war. Sie tat einiges bzw. sie tat nichts mehr nur um ihm zu gefallen. Neben ihrer Arbeit war sie nur für ihn da und lies sogar ihren besten Freund Hannes öfters einfach mal fallen. Sie verstellte sich, machte und sagt nur Dinge gegen die Ludwig nichts hatte. Sie wurde ruhiger, schon fast Schüchtern und erzählte ihm nicht einmal von ihren Sonntäglichen Besuchen bei ihrer Mutter im Heim, weil so etwas nicht in seine kleine heile Welt passte.

Und er ?

Er war immer nur auf sich und sein Leben fixiert, was Anna machte war ihm eher gleichgültig und auch ihre Vergangenheit interessierte ihn kein Stück.

 

Alles in allem ein Paar was in 2 Welten lebt und nicht unterschiedlicher sein könnte.

 

Die Charakter von Ludwig und Anna empfand ich, durch oben genannte Charaktereigenschaften, nicht als Sympathisch, dennoch als gut gewählte Protagonisten, die zum Nachdenken definitiv anregen.

Der Schreibstil geht in 2 verschiedene Richtungen.

Im 1. Kapitel „DIE NACHT“ führt Anna einen Monolog der sehr poetisch ist. Während des Lesens spürt man die Ruhe, die Gelassenheit mit der Anna neben Ludwig auf dem Bett sitzt und einfach erzählt.

Im 2. Kapitel „DER TAG ZUVOR“ wird die Geschichte von Anna erzählt von einem allwissenden Autor der nicht in der Handlung vorkommt, abgesehen von kurzen Dialogsituationen und wenigen Erzählsituationen wo Anna ihre Meinung, Gefühle, ect. selbst Kund tut.

 

Das Verhältnis vom 1. zum 2. Kapitel liegt dabei ¼ für den 1. Teil und ¾ für den 2. Teil.

Mir persönlich hat das 1. Kapitel und somit der sehr poetische Text besser gefallen und ich war ehrlich gesagt auch ein wenig enttäuscht das dies nicht im 2. Kapitel fortgesetzt wurde.

Was ich hingegen sehr schön finde ist die Verbindung zwischen dem Anfang und dem Ende. So hat die Geschichte meiner Meinung nach einen roten Faden beibehalten und einen perfekten Abschluss bekommen.

Des Weiteren habe ich auch in diesen Buch wieder eine kleine und lustige Weisheit gefunden, die es meiner Meinung nach Wert ist mit Notiert zu werden.

 

_„Das ist keine Phase, das ist Instinkt. Und Instinkt ist Verstand, der es eilig hat, ….“_

 Seite 69, Zeile 8 – 9

 

Wenn die Nacht am stillsten ist von Arezu Weitholz ist für mich trotz ein paar Kritikpunkte sehr Lesenswert, der Anfang ist ein klasse Einstieg, der Mittelteil ein guter Übergang zum gelungenen Ende, trotz ein paar offen bleibenden Fragen.