Ein schönes Piece.....

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Mit einem Monolog beginnen die 224 Seiten des ersten Romans von Arezu Weitholz: Wenn die Nacht am stillsten ist.
Eine junge Frau sitzt am Bett ihres Freundes, er scheint sich mit Schlaftabletten betäubt zu
haben- wollte er gar sterben? Am Morgen hatte er sich von ihr getrennt.
Anstatt Notfallmaßnahmen einzuleiten, sitzt Anna nun da und spricht, so wie sie nie mit Ludwig sprechen konnte,
als er bei Bewußtsein war. Solche Dinge von Elend, Leid, Opfer, Krankheit wollte er nie hören, er der taffe, disziplinierte Redakteur,
stilsicher, skrupellos, gefühlskalt.
Es ist bedrückend zu erleben, dass einer erst reden kann, wenn der andere faktisch ausgeschaltet ist.
In den nächsten Kapiteln wird aus der Perspektive von Anna zurückgeblickt
auf die acht Monate der heimlichen Beziehung zu Ludwig, ihrem Vorgesetzten.
Es entsteht ein stimmiges Bild einer Berufsgruppe, aber auch einer Generation.
Anna hat ein völlig anderes Schicksal als Ludwig hinter sich, Schicksalsschläge, Flucht, Entgleisungen,
aber auch Verantwortungsgefühl und Menschlichkeit.
Sie kümmert sich um ihre Mutter im Pflegeheim, auch hier ist der Tod gegenwärtig, wie auch in ihrer Zeit als DJ in Afrika.
Ludwig dagegen geht auf seinem allglatten Karriereweg als Redakteur bei einem Trendmagazin scheinbar unaufhaltsam nach oben. Da bleibt so einiges auf der Strecke.
Es ist ein völlig ungleiches Paar, deren Beziehung nur dadurch bestehen konnte, dass sie schwieg.
Was zog sie an diesem Mann an?

Zunächst hatte ich Sorge, dass es zu viel um Musikrichtungen und Kults gehen könne.
Es werden zwar zahlreiche Bands genannt -mir so gut wie alle völlig unbekannt- aber für das Verständnis sind keine Fachkenntnisse erforderlich.
Mir hat der Roman gut gefallen, insbesondere die gelungene Form, aber auch der dezente Stil.
Ich mochte Anna sofort, Ludwig dagegen erschien mir sehr schnell als seelischer Krüppel.
Wenn der Roman tatsächlich unsere heutige Zeit widerspiegelt, es kann einem das kalte Grauen kommen....