Jeder ist mit Sich allein

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mianna Avatar

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In „Wenn die Nacht am stillsten ist“ wird das Beziehungsgewirr zwischen Anna und Ludwig beschrieben. Anna hat sich nahtlos in Ludwigs belangloses, von Anerkennung, Positionen und Macht dominiertes Leben eingefügt. Ihr Wissen über menschliche Abgründe (Drogen, Knast, Depressionen) ist da nicht erwünscht. Erst als Ludwig ohnmächtig, mit zu vielen Schlaftabletten im Bauch im Bett liegt, beginnt sie zu erzählen.
Das Buch beginnt mit einem etwas langatmigen Monolog über „Die Nacht“ von 50 Seiten und geht überschrieben mit „Der Tag zuvor“ in eine dialogische Erzählung über.
Der Autorin Arezu Weitholz gelingt in diesem Buch eine Darstellung von zwei sehr unterschiedlichen Charakteren – dem oberflächlichen, ignoranten Ludwig und der gebrochenen Anna, die mit dem Selbstmord ihres Vaters und den Depressionen der Mutter schon viel Leid erlebt hat. Beide Figuren sind anschaulich und vielschichtig beschrieben.
Die Handlung des Romans ist auf Annas und Ludwigs wenig ereignisreiche, achtmonatige Beziehung und ihre gemeinsame Arbeit in einer Agentur beschränkt. Die Charaktere bekommen dadurch mit ihren unterschiedlichen Weltansichten, vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen, den eigenen Grenzen und ihrer Beziehung besonderes (Über-?)Gewicht.
Interessant an diesem Roman sind die eigenwilligen Charaktere, deren tiefgehende Beschreibung und eine geballte Ladung Emotionalität. Hätte die Geschichte Farben, so wären diese von Sehnsucht, Abschied, Melancholie und trauriger Klarheit bestimmt. Entsprechend dieses emotionalen Balasts wird von Gefühlen, die wie herrenlose Hunde nachlaufen (S.10), der Angst sich mit dem Tod anzustecken (S.130) und von zerfranster, kackfarbener Aura (S.29) gesprochen, was den Erzählstil ausmacht.
Die Erzählung wirkt im Gesamten etwas unvollständig und verwirrend. Die Aussage der Autorin ist nur zu deuten. Naheliegend scheint der Gedanke der grundsätzlichen Einsamkeit von Menschen, wegen ihrer unterschiedlichen Erfahrungen und der begrenzt möglichen Einfühlung in den jeweils anderen Menschen. Die gegensätzlichen Ansichten und Hintergründe der Figuren scheinen unvereinbar, schaffen eine Grenze. Die folgende Einsamkeit des einzelnen Menschen wird im übertragenen Sinn im Titel mit Stille der Nacht ausgedrückt.
In kunstvoller Poesie und langatmiger Erzählung werden zwei eigenwillige Charaktere beschrieben, die die Oberflächlichkeit und die Erfahrung menschlicher Abgründe in ihrer Beziehung nicht zu vereinen schaffen.