Tiefgreifend und bewegend

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elke seifried Avatar

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Das Buch hat mich beeindruckt. Es handelt sich einmal um einen ganz anderen Roman, weder Krimi noch Frauenroman. Ein tiefgreifender Roman, der nicht nur Unterhaltung liefert, sondern zahlreiche Aspekte zum Nachdenken bietet. Es geht um die Qualität von Beziehungen, verschiedene Menschentypen, Lebenszufriedenheit, den Sinn des Lebens und vieles mehr. Für dieses Buch habe ich meine eigentlich bevorzugten Krimis und Thriller gerne einmal zur Seite gelegt. Anna findet Ludwig, der wohl zu viele Schlaftabletten genommen hat um sich umzubringen, leblos im Bett auf. Sie holt keinen Notarzt, sondern setzt sich neben das Bett und beginnt einen Monolog. Sie analysiert dabei Ludwig, der sich am Morgen desselben Tages scheinbar plötzlich dafür entschieden hatte die Beziehung zu beenden. Sie nimmt auch ihre Persönlichkeit und die Beziehung der Beiden unter die Lupe. Das Paar könnte gegensätzlicher nicht sein. Anna, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt, sich an kleinen Dingen freuen kann, wagemutig und eher spontan ist, passt eigentlich gar nicht zu Ludwig, der nur auf Luxus, Kontrolle, Ansehen und Erfolg auf allen Ebenen aus ist. Ludwig wusste nur wenig von Anna, wie z.B. von ihrer geisteskranken Mutter oder anderen Problemen. Er hat dafür kein Verständnis aufgebracht. Anna versteht nicht, wie ein solcher Mann, dem Ansehen das Wichtigste ist, versuchen kann sich umzubringen. Hatte er nicht bedacht, dass er im Überlebensfall in eine geschlossene Heilanstalt eingewiesen werden würde? Und das wäre doch für einen Menschentyp wie Ludwig undenkbar. Ab dem zweiten Kapitel erfährt man Einiges über die Vorgeschichte der Beiden. Die Autorin schreibt ihren Roman so einfühlsam und fesselnd, dass ich mich ständig in einer Art angenehmem Gefühlschaos befand. Einerseits bekam ich fast Wut auf Ludwig, der Anna ganz klein gemacht hat und sie so verändert hat, wie er sie sich vorstellte. Teilweise war er äußerst beleidigend. „Schau nicht so blöd wie ein Rehkitz“ war z.B. ein Ausspruch mit dem Anna zu rechnen hatte, wenn sie sich gerade über etwas freute. Andererseits hatte ich fast Mitleid mit Anna und konnte mich richtig in sie hineinversetzten. Hätte ihr am liebsten geraten aus der Beziehung zu fliehen. Aber müsste man nicht eigentlich viel mehr Mitleid mit Ludwig haben, der keine Liebe, Freunde und Zufriedenheit kennt? Auch wurde mir bewusst, wie leicht sich Menschen manipulieren lassen. Alles in allem ein Buch, das mich bis zur letzten Seite sehr fesselte, beschäftigte und das ich auf jeden Fall voll empfehlen kann.