Sommer mit Tiefgang

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Die Sommerferien brechen an und vor Lisa, die als Lehrerin arbeitet, liegen 3 Wochen, in denen sie nur für sich ist — zum ersten Mal seit der Geburt ihres Sohnes. Dieser verbringt die Zeit bei seinem Vater; eine völlig neue Erfahrung für Lisa und umso verlorener ist sie im ersten Moment und sie fragt sich, wie sie die Tage und Wochen ohne ihren Sohn füllen soll. Sie entscheidet sich dazu, ihre frühere Leidenschaft, das Geigespielen, wieder auflebenzulassen. Ihre Geige, ein Erbstück ihres Großvaters, ist der Start einer Reise in die Abgründe ihrer Familiengeschichte, die geprägt ist von Geheimnissen rund um den zweiten Weltkrieg, über die viel zu lange geschwiegen wurde.

Der Roman behandelt so viele wichtige und große Themen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Zum einen ist ganz zentral das Thema Mutterschaft und welche Kraft es erfordert, welche Opfer gebracht werden. Lisa liebt ihren Sohn über alles, daran lässt die Autorin keinen Zweifel, trotzdem fragt Lisa sich „Was wäre wenn?“ und wer ist sie überhaupt noch außerhalb ihrer Rolle als Mutter? Auch die Rolle des meist abwesenden Kindsvaters wird sehr interessant thematisiert und hat Fragen aufgeworfen und mir völlig neue Sichtweisen eröffnet. Außerdem zieht sich die schwierige Beziehung von Lisa und ihrer eigenen Mutter durch den Roman und ich wollte Lisas Mutter manchmal wirklich einfach von ihren schlimmen Glaubenssätzen wachrütteln. 🥲 Zum anderen liegt ein großer Fokus auf dem historischen Aspekt und welche Laster über Generationen weitergetragen werden und auch die Scham, die sich dahinter verbirgt.

Doch so bedrückend das auch klingt, es gibt definitiv auch viele herzerwärmende Aspekte an diesem Buch. Sehr wholesome war beispielsweise die Beziehung von Lisa und der zweiten Hauptfigur Ute. Sie ist die Tochter des Geigenrestaurators, dem Lisa ihre Geige anvertraut. Zwischen den beiden entwickelt sich eine besondere Freundschaft, die unerwartet kommt, aber die beide irgendwie auch einfach brauchen. ❤️‍🩹

Trotz seiner teils düsteren Themen ist dieser Roman ein richtiges Wohlfühlbuch für mich. In erster Linie wegen seiner wirklich schönen Sprache, die das Gefühl von Sommer in jeder Zeile transportiert (vor allem in den Szenen, die Lisa und Ute auf Utes Hof verbringen), aber auch wegen seiner Hauptcharaktere, die trotz ihrer Eigenheiten so liebenswürdig sind, dass ich sie am liebsten noch viele weitere Seiten begleiten wollte!