Kalle, Alfons, Kosta und Nicolette

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aennie Avatar

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Nico, eigentlich Nicolette, ist 33, hat eine äußerst unerfreuliche kurze Ehe hinter sich und schreibt Thriller. Sie ist eine Eigenbrötlerin und definitiv nicht bereit, sich nach „der Sache“, die auf ihrer Hochzeit geschah und zum Ende ihrer Ehe führte, auf einen neuen Mann einzulassen. Ihre Freundin Tina sieht das ganz anders und schleppt sie auf eine Vernissage mit. Und wie das so ist, wenn man irgendwo ist, wo man nicht sein will, vor einem nervigen Typen an die Bar flüchten muss – plötzlich ist das Rotweinglas Nicos bester Freund. Der nette Aushilfscaterer sorgt dafür, dass sie sicher nach Hause, in ihre Wohnung und ins Bett kommt, und bleibt gleich noch ein bisschen. Nico stellt am nächsten Morgen fest, dass er nicht nur nett, sondern auch jünger ist als sie. Trotzdem kommt sie irgendwie nicht drumherum, ihm dann doch ihre Nummer mitzugeben. Wenn sie jetzt noch wüsste, wie er heißt, könnte man ja mal abwarten, was sich daraus ergibt. K. oder Kalle, wie er dann in Nicos Handy abgespeichert wird, drängt jedoch auf ein weiteres Date. Alles läuft super, bis Nico schockiert feststellt, dass er NICHT Mitte 20 ist. Sondern deutlich jünger. Kosta ist nicht bereit, ihre Ausflüchte zu akzeptieren und legt eine Beharrlichkeit an den Tag, die ihresgleichen sucht. Und dann wird er irgendwann zu Alfons und alles wird noch komplizierter.

Jaja, wissen wir alle. „Liebe kennt kein Alter“, „Liebe lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken“, „Wo die Liebe hinfällt“ – viele Phrasen gibt es, wenn eine Kombination auf den ersten Blick aufgrund des Altersunterschiedes nicht so ganz ins Schema passt, vor allem wenn es vom Typus Er deutlich älter als Sie abweicht. Fast immer fällt dann heutzutage früher oder später, meist früher, der Begriff Toyboy. Zu viele Beispiele aus der Promiwelt gibt es für die mittelalten Damen, die plötzlich einen knackigen jungen Kerl an ihrer Seite als neuen Partner inthronisieren. Immer zurecht? Wahrscheinlich nicht. In den meisten Fällen dürfte der Altersunterschied nicht so gewaltig sein, wie in diesen prominenten Beispielen, sondern sich in genau dem Rahmen abspielen, wie er auch bei der umgekehrten Kombi auftritt und eben auch bei den Protagonisten im Buch, irgendetwas zwischen 10 und 15 Jahren. Aber natürlich ist vor allem die Integration in den jeweiligen Freundeskreis schwer, denn der besteht nun mal im Normalfall aus Altersgenossen, mit denen man vielleicht schon seit Schule, Ausbildung, Studium zu tun hat – wer rechnet denn da nicht? Als wir Abi gemacht haben, wurde er eingeschult? Oder umgekehrt? Als du das tolle Feuerwehrauto zum Geburtstag bekommen hast, war sie gerade dabei ihren Führerschein zu machen?
Von daher finde ich jede Reaktion in diesem Buch nachvollziehbar. Die der Freundeskreise und die der Protagonisten. Alles andere als heftig zu schwanken zwischen „nur wir sind wichtig“ und „wie soll das nur funktionieren und habe ich überhaupt die Energie, mich damit auseinanderzusetzen“ wäre in meinen Augen unrealistisch. Und deshalb gebe ich auch beiden Seiten unheimlich oft recht im Verlaufe der Geschichte. 19 ist verdammt jung. Irgendwann ist es sicher weniger auffällig, vor allem, wenn der eine reif und der andere eher weniger gealtert ist als sein Umfeld, aber 19 ist eben wirklich hui. Aus persönlichen Gründen mein Lieblingssatz ist Kostas Aussage, er werde schon von selbst alt, es sei nur eine Frage der Zeit. Genau das hat ein ehemaliger Arbeitskollege geantwortet, wenn er auf den Altersunterschied zu seiner Frau angesprochen wurde, die 11 Jahre jünger ist als er. Und da ich ebenso viele Jahre jünger bin als mein Mann, hat mir dieser Satz schon immer gut gefallen.

Fazit: klare Leseempfehlung.
Die Autorin nimmt einen so mit hinein in diese Geschichte, dass man manchmal Zahnschmerzen bekommt, weil man es nicht mehr erträgt und Nico zurufen möchte, was man selbst für richtig hält. Beide Protagonisten sind unglaublich große Sympathieträger und vor allem Nicos Vater auch ein sehr großer Gewinn für die Geschichte. Alles in allem ein Buch, bei dem man hofft, dass das schlechte Wetter anhält, damit man eine plausible Ausrede hat, den ganzen Tag auf der Couch zu bleiben und zu lesen.
Eine emotionsgeladene Liebesgeschichte, bei der man mitleidet und sich freut und trotzdem bis zum Ende nicht weiß, wie vor allem Nico sich entscheiden wird.