Über Umwege

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aennie Avatar

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Mexiko-Stadt, die 1860er Jahre. Mauro Larrea hat sich hochgearbeitet. Vom spanischen Einwanderer und einfachen Bergmann zum Silberminenbesitzer. Er nennt nicht nur ein Stadtpalais und Haziendas sein Eigen, er besitzt auch vielversprechende Schürfrechte für zukünftige Geschäfte. Doch das Schicksal will es anders. Er steht vor dem Aus, sieht sich gezwungen, einen skrupellosen Geldgeber, den er lange in der Vergangenheit wähnte, erneut aufzusuchen, um ein neues Geschäft zu finden und zu tätigen. Zu groß die Gefahr, seinen letzten Besitz zu verlieren und die gesellschaftliche Stellung seiner selbst und seiner Kinder zu riskieren. Die Hoffnung auf eine lukrative Investition treibt ihn nach Havanna und einige familiäre Verwicklungen und eine Partie Billard schließlich nach Jerez de la Frontera. Sein Ziel ist es, hier nun das Geschäft aller Geschäfte zu tätigen, möglichst schnell das spanische Mutterland wieder zu verlassen und am besten noch den in Europa weilenden Sohn Nicolas wieder zur Räson zu bringen und in den sicheren Hafen der Ehe in Mexiko zu geleiten. Niemals hätte er damit gerechnet, dass eine simple Begegnung mit Soledad Montalvo genügt, um ihn noch tiefer in deren familiäre Verstrickungen mit hinein zu ziehen, und bei denen wird es nicht bleiben.

Maria Duenas Stil gefällt mir außerordentlich gut, es gibt unglaublich deskriptive Passagen, die aber niemals langweilig sind, vielmehr glaubt man, die flirrende Hitze Andalusiens, die alten Holzfässer, den feuchten Kreideboden der Bodega, das alte Stadtpalais zu sehen und zu riechen. Von Beginn an zieht die Autorin mit der Schilderung starker eindrücklicher Bilder in meinen Augen den Leser in den Bann, das hat mich ehrlich fasziniert und an das Buch gefesselt.
Ich war begeistert von der Stimmung zwischen Soledad und Mauro. Mich hat die nonverbale (im Text vorhandene) Kommunikation der beiden, ihre Übereinstimmung, einfach ihre Chemie schlichtweg mitgenommen und ich habe eine hohe Empathie für die beiden entwickelt. Es wurde so viel Liebe transportiert, ohne dass es wirkliche Liebesszenen in diesem Buch gibt und auch überhaupt nicht kitschig ist, aber so viel Gewissheit, um sich und um den anderen. Bei aller Unsicherheit, die das sich Verlieben oder Liebe an sich oft beinhalten, gibt es da ja oft noch diesen anderen Faktor – dass man den anderen Menschen sieht, und man weiß es. Alles. Und man ist sich sicher. Ohne das man darüber reden muss. So ist das bei Soledad und Mauro, und das ist ehrlich ganz toll.

Ein minimini-Kritikpunkt: ich verstehe den deutschen Titel nicht. das Buch hat im Original einen wunderbaren Titel: La Templanza (die Mäßigkeit) – das ist so stimmig, das passt, da es nicht nur der Name des Weinberges ist sondern auch ganz fantastisch übertragbar ist auf die Handlung und die Personen der Geschichte. Natürlich ist er im deutschen nicht ad hoc so selbsterklärend, aber da hätte man doch etwas finden können… „Wenn ich jetzt nicht gehe“ – Wer? Wohin? Und dann?...
„Wenn ich jetzt nicht gehe“ ist einfach eine ganz wunderbare Geschichte. Für mich kein historischer Roman, kein Liebesroman, kein Abenteuerroman, obwohl alles zutreffen könnte, es ist „die Frucht der weißen sonnenglühenden Erde des Südens, der Mäßigung und des Westwindes, der Beharrlichkeit und der Leidenschaft eines Mannes und einer Frau“ (Seite 589). Damit ist alles gesagt.