Anfangs viele Durststrecken, zum Ende hin durchaus spannend.

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mangobelle Avatar

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Normalerweise würde ich einen Roman, wie „Wenn Martha tanzt“ lesen, aber warum nicht einmal etwas Neues wagen und ihn sich vorlesen lassen? Ziemlich schnell habe ich aber die Tücke daran bemerkt, denn sich mit einem Buch auf dem Sofa entspannen ist auch gut in Gesellschaft möglich – sich einem Hörbuch ganz und gar widmen, entsprach aber so absolut nicht meinen bisherigen Gewohnheiten. Da mich die Geschichte anfangs zu stark an bereits Gelesenes erinnerte, brauchte ich auch etwas um in die Geschichte hereinzukommen. Erst am Ende konnte es mich dann soweit fesseln, dass ich mir freiwillig so häufig wie möglich Freiräume zum CD lauschen schuf.

Worum geht es nun aber genau?
Martha Wetzlaff wird im Jahr 1900 in einem kleinen Dorf in Pommern geboren. Sie wächst als Einzelkind auf, denn das erste Kind ihrer Eltern starb bereits drei Tage nach seiner Geburt. Obwohl sie die Tochter des örtlichen Kapellmeisters ist, scheint sie über keinerlei musikalisches Talent zu verfügen. Erst ein Freund der Familie entdeckt, dass Martha Töne „sehen“ kann. Er ermutigt sie, sich nach dem Krieg im neu geschaffenen staatlichen Bauhaus in Weimar zu bewerben, um herauszufinden, was sie mit ihrem seltenen Talent machen kann.

Die zweite Handlung spielt im Jahr 2001. Ein Germanistikstudent, der bisher mehr das Unileben genossen, denn studiert hat, entdeckt im Nachlass seiner kürzlich verstorbenen Großmutter das Tagebuch deren Mutter: Martha Wetzlaff. Diese verschwand im Jahr 1945 während der Flucht aus dem Pommern spurlos. Doch es ist nicht nur das Leben seiner Ur-Großmutter, das sich plötzlich vor ihm auftut und ihn in seinen Bann zieht. Im Tagebuch finden sich auch, bislang nicht gekannte Skizzen bedeutender Meister des Weimarer Bauhauses. Eine Entdeckung, die die Familie mit einem Schlag reich machen könnte.

Die Handlungen wechseln sich ab, wobei anfangs die Geschichte Marthas vor allem im Mittelpunkt steht. Entsprechend werden beide Stränge auch von verschiedenen Sprechern gelesen. Vom Marthas Leben erzählt Anne Ratte-Polle, vom kleinen Studenten im weiten New York berichtet Barnaby Metschurat. Letzteren gelingt es ziemlich gut, den Langzeitstudenten, der gern etwas Besonderes wäre, wiederzugeben. Frau Polle liest solide.
Wie gesagt, konnte mich die Geschichte anfangs so überhaupt nicht in ihren Bann ziehen. Es plätscherte alles vor sich hin. Selbst das Leben in Weimar war für mich jetzt nicht so spannend, wie erhofft. Ich tue mich aber generell schwer, wenn berühmte Persönlichkeiten zu sehr in einen Roman eingebunden werden. Und genau so war es hier. Denn natürlich werden alle Größen des Bauhaus mehr oder weniger auf Martha Aufmerksam. Bei knapp 200 Studenten durchaus realistischer als heute – aber für mich eben auch nicht wirklich glaubwürdig. Zumal Marthas Talent nicht unbedingt in einem Bereich liegt, den man heute mit dem Bauhaus assoziiert.
Erst nach dem Ende des Bauhauses in Weimar und Marthas Rückkehr nach Pommern nahm die Geschichte für mich an Fahrt auf. Schließlich kam sie mit einem Kind zurück und musste zudem den Widrigkeiten des beginnenden Nationalsozialismus begegnen.
Zum Ende des Buches werden dann auch die Geheimnisse um das plötzliche Verschwinden und andere Mysterien gelöst. Mehr oder weniger glaubwürdig, aber zumindest spannend. Einzig der Bogen zum 11. September war überflüssig. Das Buch hatte an sich schon genug Geschichte in sich verwoben.

Fazit: Solide und zum Ende sehr spannende (deutsche) Geschichte. Ob ich lesend das Buch bis zum Ende hin durchgehalten hätte, weiß ich allerdings nicht. Den gerade am Anfang hatte die Geschichte doch sehr viele Durststrecken, die man erst einmal überwinden muss.