Kolonialherrschaftliche Grüße aus Algerien

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djojo Avatar

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Gerade noch begleitete Gilles Sebag seine Tochter zur Beisetzung eines Klassenkameraden der bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Da wird er zu einem Mordfall gerufen: ein älterer Rentner wurde erschossen in seiner Wohnung aufgefunden. Spuren vor Ort lassen auf einen Zusammenhang schließen, der weit in die Vergangenheit zurückreicht. Der Rentner hatte offenbar mit einer geheimen Armee zu Zeiten des Krieges am Ende der Kolonialherrschaft Frankreichs in Algerien zu tun. War er etwa Mitglied dieser Armee? Hat er etwa in diesem Krieg viele Menschenleben auf dem Gewissen? Doch wer wird sich jetzt nach über 50 Jahren an einem alten Mann rächen?

Fragen über Fragen beschäftigen Gilles Sebag und seine Kollegen. Als dann ein zweiter Mord passiert, gewinnt die gesamte Ermittlung an Brisanz. Denn nach wie vor tappen die Ermittler im Dunkeln bei der Suche nach einem Motiv. Parallel dazu nagen an Gilles Sebag die Zweifel an der Treue seiner Frau. Doch er traut sich weder in Ihren Sachen zu stöbern und im privaten Umfeld „zu ermitteln“ noch eine offene Aussprache herbeizuführen. Doch er spürt, dass irgendetwas nicht stimmt. Und er spürt auch, dass er irgendwann Klarheit schaffen muss.

„»Woran denkst du?« – Langsam drehte er sich um und deutete ein Lächeln an. »Ich denke nicht, ich träume.«“ (S. 309)

Schon im ersten Roman um Inspecteur Sebag („Dreimal schwarzer Kater“, erschienen 2014 im Ullstein Verlag) kann der Leser bestaunen wie menschlich, und doch geschickt und manchmal sogar listig die Ermittlungen im französischen Roussillon laufen können. Mit Mitgefühl, Verständnis und vielen Gedanken an die Hintergründe erforscht Sebag geradezu die Ursachen und Motive einzelner Personen. Es gelingt ihm sich in fremde Sichtweisen hineinzuversetzen und gleichzeitig auch noch den Leser auf diese Reisen mitzunehmen. Dabei scheinen dem Autor keine Grenzen gesetzt zu sein, ob es sich um Verbrecher, ja sogar Kriegsverbrecher, die Familie des Inspecteurs oder schlicht geschichtliche Hintergründe handelt spielt keine Rolle.

Diese Besonderheit hat auch ihren Preis. Zu mühsam wird die Spannung aufgebaut und zu lange dauert es bis der nach Spannung suchende Leser richtig mitfiebern kann. Am Ende muss deshalb auch in die klassische Trickkiste der Verheimlichung von Details vor dem Leser gegriffen werden, was mir leider ein wenig den Spaß an diesem Roman geraubt hat. Aber nur ein klein wenig. Der zweite Fall von Gilles Sebag bleibt ein gelungener und unterhaltsamer Krimi, der den Leser in den Süden Frankreichs, ja fast schon bis über die spanische Grenze entführt.