Mit dem Gewicht der Wahrheit

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
cc-san Avatar

Von

"Es heißt, es braucht nur einen Augenblick, um ein ganzes Leben zu verändern. Aber niemand sagt einem, wie man diese Momente erkennen kann." Mit diesem erschütternden ersten Satz zieht mich die auf einer wahren Geschichte basierende Erzählung sofort in ihren Bann. Lina steht auf einem Schulhof, ein bewaffneter Mann richtet seine Waffe auf sie, und ich spüre die lähmende Angst, die durch ihre Worte vermittelt wird.

Was mich besonders betroffen macht, ist das Wissen, dass diese Geschichte auf realen Ereignissen basiert. "Based on Sina's True Story" verleiht jedem Wort eine erdrückende Authentizität. Der Schulamoklauf, der sich hier entfaltet, ist kein fiktives Szenario, sondern basiert auf tatsächlich erlebtem Schrecken, was die Lektüre umso beklemmender macht.

Die geschickte narrative Struktur zwischen dem traumatischen Juni 2018 und dem Januar 2024 schafft eine packende Spannung. Der letzte Satz des dritten Kapitels und somit Ende der Leseprobe "Und dann laufen wir in unsere Klassen, ohne zu wissen, dass wir Nele nie wiedersehen werden" trifft mit einer Wucht, die mir den Atem raubt - besonders im Wissen, dass hinter diesen Worten echte Verluste stehen.

Besonders eindringlich finde ich Sätze wie "Zwischen uns liegen wenige Meter, aber es könnten auch Ozeane sein, so unwirklich fühlt sich das alles an." Die Autorin fängt diesen surrealen Moment des Schreckens ein, in dem die Zeit stillzustehen scheint, mit einer Präzision, die vermutlich nur jemand erreichen kann, der solche Momente kennt.

Der Kontrast zwischen den Zeitebenen wirft fesselnde Fragen auf: Wie bewältigt man solch ein Trauma? Die Lina von 2024, die vorsichtig einen Tanzkurs besucht und zögerlich neue Verbindungen knüpft, zeigt einen Weg der Heilung, der mich emotional berührt hat.

Die Darstellung der Freundschaften und der Leichtigkeit des Schulalltags vor der Tragödie macht das Folgende nur noch herzzerreißender - diese normalen Teenager mit ihren Träumen von Tanzen, Studieren und der Zukunft, deren Leben in Sekunden aus der Bahn geworfen wird.

Als Leser fühle ich mich als stiller Zeuge eines Moments, der für die echte Person hinter dieser Geschichte alles verändert hat. Das macht diesen Roman nicht nur zu einer spannenden Lektüre, sondern zu einem wichtigen Zeugnis, das uns zwingt, über die langfristigen Auswirkungen solcher Tragödien nachzudenken. Eine Leseprobe, die unter die Haut geht und sicherlich auch im kompletten Roman keine leichte, aber eine notwendige Lektüre sein wird.