Dramatische Rettung in dunklen Zeiten

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nessie6 Avatar

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Mit „Wie ein Foto unser Leben rettete“ hat Maya C. Klinger eine Geschichte aufgeschrieben, die nach wie vor von großer Aktualität ist, auch wenn sie sich vor knapp 80 Jahren ereignet hat. Sie spielt während des zweiten Weltkriegs auf dem Balkan und nimmt damit eine Region in den Blick, die einem beim Thema nationalsozialistische Verbrechen nicht unbedingt als erstes einfällt.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der anfangs fünfjährige Gavra, der mit seiner jüdischen Familie glückliche erste Jahre in Novi Sad (der zweitgrößten Stadt im heutigen Serbien) erlebt. Der Vater ist, wie dessen Vorfahren auch, ein renommierter Fotograf, der gemeinsam mit der Mutter ein Fotostudio führt und viele Momente des Familienlebens auf Schwarz-weiß-Fotografien festhält.
Mit dem Einmarsch der Deutschen in Belgrad bricht das Grauen des zweiten Weltkriegs, der schon vor Jahren begonnen hat, unvermittelt in das Leben der Familie Mandil. Die Eltern beschließen, unter dem neuen Namen Mandic zu fliehen und hoffen, der Verfolgung durch die deutschen Besatzer entkommen zu können.
Inwiefern auf der monatelangen Flucht das titelgebende Foto das Leben der Familie rettet, sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Die Szene, in der diese Rettung geschildert wird, ist eine von vielen, in der man beim Lesen beinah die Luft anhält und mitfiebert, wie sich das Schicksal von Gavras Familie entwickelt. Das liegt auch an den einfühlsamen Schilderungen, die das Geschehen aus kindlicher Perspektive beschreiben.
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ ist kein Sachbuch, das die nationalsozialistische Besatzungspolitik detailreich wiedergibt und die ideologischen Hintergründe des Vernichtungskriegs thematisiert. Vielmehr regt es durch die Erzählung dazu an, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und darüber zu sprechen. Wer seinem Kind dieses Buch zu lesen gibt, sollte sich auf einige Fragen gefasst machen, auf die das Buch selbst keine Antworten liefert (wobei ich das nicht als Kritik verstanden wissen möchte).
Mir erscheint sowohl die Sprache als auch der Umfang, mit dem Klinger die Geschichte der Familie nacherzählt, angemessen für Kinder im ausgehenden Grundschulalter. Sie ist spannend, aber nicht zu dramatisch, und die Gräueltaten werden nicht beschönigt, sondern so dargestellt, wie sie damals vermutlich auf Kinder im Alter von Gavra gewirkt haben. Diese Authentizität der Erzählung ist meines Erachtens ein großer Pluspunkt.
Außerdem betont das Buch mehrfach die Mitmenschlichkeit und Aufopferungsbereitschaft der albanischen Bevölkerung, die ungeachtet der Religion Fremde bei sich aufnahmen und vor den Nationalsozialisten versuchten zu verstecken. Der Umgang mit Geflüchteten, mit Menschen anderer Religionen, mit Schutzbedürftigen, das ist ein Aspekt, der mehr denn je aktuell ist und
Durch den Wechsel aus Originalfotos und gezeichneten Illustrationen ist die Darstellung sehr abwechslungsreich. Das einzige Manko ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass es nicht noch mehr von den tollen Illustrationen von Isabel Kreitz gibt – ich mag ihren Stil sehr, mit dem sie auch schon Klassiker wie „Pünktchen und Anton“ illustriert hat, und finde, dass er ganz hervorragend zur Geschichte passt.
Abschließend kann ich das Buch allen empfehlen, die für ihre Kinder im Grundschulalter einen altersgerechten Zugang zum Thema Nationalsozialismus suchen.