abbild einer realität, die nicht erdacht ist

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
blätterwald Avatar

Von

Mit seinem Debüt „Paradiso“ hatte Thomas Klupp dereinst die Latte sehr hoch gelegt. Umso gespannter war ich auf diesen Roman und bin noch ein wenig zwiegespalten.
Dieser Roman ist so vieles, eine Coming of Age Geschichte, Zeitgeschichte, Gegenwartsliteratur und eine erschreckende Abbildung heutiger Verhältnisse. Benedict Jäger, Sohn aus gutem Elternhaus, Vater Chirurg, wohnhaft in Weiden, 15 Jahre alt, spielt Tennis und lügt, dass sich sprichwörtlich die Balken biegen. Dabei ist er im Grunde genommen nur das Spiegelbild der Weidener Upper Class. Hinter der Fassade ist nichts, wie es zu sein scheint. Hauptsache, die Charity Galas gelingen und jeder sieht, dass man sich auch aktuell um die Flüchtlinge kümmert und ach so ein guter Mensch ist.
Nebenbei spielt Benedict auch noch Tennis, und das sehr erfolgreich. Wenigstens da ist er ehrlich zeigt seine menschliche Seite, eine ehrlichere als sonst. Hier ist er Teenager und auch mit den Mädels. Da kann er nicht so betrügen wie er es sonst tut.
Der Autor zeichnet seine Figuren so, dass sie nicht eindimensional wirken, er lässt sie handeln, aber die Figuren haben wenig Spielraum, finde ich. Sie sind wie in eine Art Korsett gepresst. Sie handeln, aber es gibt keine wirkliche Entwicklung in meinen Augen. Am besten wirkt dieses Buch, wenn Benedict mit seinen Freunden zusammen ist, gleich ob beim Tennis oder in der Schule. Dann ist er am dichtesten dran.
Sprachlich kann man hier nicht klagen, der Autor weiß, wie man mit Sprache umgeht und ich finde auch, dass er die Sprache der Jugend ganz gut getroffen hat. Es ist natürlich ein Balanceakt, Literatur mit Jugendslang zu vereinen, aber so wirkt es recht authentisch, wenn auch manchmal sehr bemüht. Klupp schreibt das alles mit einer gewissen Prise Humor und Augenzwinkern. Er nimmt die Realität so auf die Schippe, ohne aber seine Figuren vorzuführen. Das tut er ihnen nicht an.
Es war unterhaltsam zu lesen, gerade die ganzen Eskapaden des Benedicts. Wie er sich windet und was er alles unternimmt, um nur seine Fassade aufrechtzuerhalten, so wie er es von seinen Eltern vorgelebt bekommt. In kurzen Momenten blitzt immer wieder das Gewissen durch, aber er ist schon zu sehr gefangen in dieser seiner Welt. Und das reale daran ist das erschreckende daran, finde ich. Das ist nicht nur Fiktion, sondern real und erschreckend real erzählt.