Schwacher Roman

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skaramel Avatar

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Wer hat es sich nicht schon mal vorgestellt: Wie wäre es, wenn ich nicht älter werden müsste? Was könnte ich dann noch alles tun? Klingt wie ein Traum, den man schon immer einmal hatte – Zeit haben für all das, was man vorhat. Alles erleben, Länder bereisen, Sprachen lernen, Kulturen kennenlernen. Was für manchen eine schöne Vorstellung ist für Tom Hazard ein Fluch. Er ist 400 Jahre alt, gleicht optisch aber einem Vierzigjährigen. Was nach Leichtigkeit und Freisein klingt, ist jedoch ein Balanceakt – alle acht Jahre nimmt er eine neue Identität an und schwört allen Beziehungen ab. Das macht vor allem einsam, aber dann – wie soll es anders sein – lernt er Camille kennen und alle Grundsätze scheinen nicht mehr zu existieren.
Unsterblichkeit – kein neues Thema, sondern schon reichlich durch die Literatur gereicht und trotzdem hat es Matt Haig für seinen neuen Roman gewählt. Leider hat er es sich damit nicht leicht gemacht. Zwar muss ein Autor nicht mit jedem Buch das Rad neu erfinden, doch neue Ansätze sind immer gern gesehen, doch leider in „Wie man die Zeit anhält“ rar gesät. Sicherlich, Matt Haig kann schreiben – immerhin ist dies nicht sein Debütroman, aber gerade in diesem Fall und bei seinen vorangegangen Werken kann man die Messlatte ruhig etwas höher schrauben.
Zeitgleich war die Marketingabteilung fleißig unterwegs und hat die Social Media Welt mit Vorabexemplaren versorgt. Die Kanäle, sei es bei instagram und Twitter, waren voll von seinem Buch. Auch das steigert und steigert Erwartungen, die dann auch erfüllt werden wollen – in diesem Fall aber leider nicht wurden.
Tom Hazard, unser Unsterblicher, bleibt zu blass in seiner Beschreibung, sein Charakter kriegt keine Tiefe. Camille, sein Grund für seine Nachlässigkeiten und Grenzüberschreitungen ist höchstens eine kleine Randnotiz, die keineswegs das wiederspiegelt, was Tom so fühlen mag, um all die aufgestellten Regeln zu brechen. Auch die Geschichte ist zu fad, wobei die Ansätze stimmen. Haig wählt zwei Erzählstränge – zum Einen die Gegenwart, in der es um die aktuelle Lage geht, das Kennenlernen mit Camille und der Misere, in der Tom nach all den Jahren steckt, zum Anderen die Vergangenheit, die dem Leser den Protagonisten näher bringen soll. Das tut es, wenn auch nicht genug. Die Geschichte um seine erste große Liebe ist die einzig gefüllte, wahrlich gut beschriebene Episode des ganzen Buches. Hier gibt es Tiefgang, Gefühle und eine nachvollziehbare Geschichte. Camille, der Streit mit der Organisation – alles wirkt lieblos drangeheftet.
Daher bleibt „Wie man die Zeit anhält“ für mich eins der schwächeren Bücher von Matt Haig. Leider nicht wie gewohnt. Wer also leichte, oberflächliche Lektüre möchte und auf Tiefgang verzichten kann, der findet mit diesem Buch eines, das man in kürzester Zeit lesen kann.