Wie man die Zeit anhält von Matt Haig

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laberladen Avatar

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Darum geht's:

Tom ist alt. Doch man sieht es ihm nicht an, dass er einige hundert Jahre auf dem Buckel hat, er wirkt wie ein 40-Jähriger. Eine Besonderheit führt dazu, dass er im Zeitlupentempo altert. Es gibt noch mehr Leute wie ihn, doch die Erfahrung hat gezeigt, dass sie besser darüber schweigen, wie alt sie eigentlich sind, um unbehelligt leben zu können. Nachdem Toms Jugendliebe Rose schon lange tot ist, hat er menschliche Bindungen vermieden. Doch als er die Lehrerin Camille kennenlernt, verliebt er sich ein zweites Mal.

So fand ich's:

Tom hat schon als Jugendlicher gelernt, dass es keine gute Idee ist, zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Dass er seit der Pubertät nicht in normaler Geschwindigkeit altert, kostet seine Mutter das Leben, denn man vermutet Hexerei. Er verschwindet jedes Mal, bevor er auffällt, und hält sich an den Grundsatz, sich nicht zu verlieben, denn das bringt die Menschen, die er liebt, in Gefahr und bedeutet immer auch Herzschmerz für ihn.

Als Geschichtslehrer im heutigen London schafft er es, Geschichte lebendig werden zu lassen - kein Wunder, denn er hat die Zeiten, über die er unterrichtet, selbst miterlebt. So ist es vordergründig spannend, wichtige historische Ereignisse und Wendepunkte mitzuerleben, den Wandel der Ansichten, medizinische und technische Fortschritte usw., auf die Tom in ausführlichen Rückblicken immer wieder zurückkommt. Er begegnet berühmten Personen und schafft es, aus den verschiedenen Jahrhunderten seines langen Lebens fesselnde und lebendige Szenen entstehen zu lassen, die mich als Leserin mit in die Geschichte genommen haben.

Doch unter der Oberfläche ist eine ständige Melancholie, die nicht oft durch Humor abgemildert wird. Tom ist gezwungen, als Einzelgänger zu leben und seine Erinnerungen an seine große Liebe Rose und sein Tochter, die genauso langlebig wie er ist und die er gerne wiederfinden würde, stürzen ihn regelmäßig in Traurigkeit. Selbst die aufblühende Liebe zu seiner Kollegin Camille ist nicht ohne Probleme, denn er kann auch ihr die Wahrheit nicht sagen, ohne sie in Gefahr zu bringen.

Obwohl der Roman mit leichter Hand geschrieben scheint, gibt es doch jede Menge Weisheiten, Gedanken und Anregungen, die sich in den Text mischen, die man flott überlesen kann, doch langfristig bleiben sie einem im Gedächtnis hängen.

In der Hörbuch-Version hat Christoph Maria Herbst, den ich eigentlich vor allem als Sprecher von humorvollen Hörbüchern kenne, tolle Arbeit geleistet. Voller Emotionen und mit dem richtigen Tonfall für Toms leichten Zynismus hat er die Atmosphäre des Buches für meinen Geschmack wundervoll transportiert.

Wahrscheinlich hätte mir das Buch noch viel besser gefallen, wenn ich es nicht so kurz hinter "Ich und die Menschen" gelesen hätte. Denn bei "Wie man die Zeit anhält" hat mir der humorvolle Aspekt, der liebevoll-optimistische Grundton etwas gefehlt, den ich an "Ich und die Menschen" so geliebt habe.