Macht und Mythos im Kleinen wie im Großen - wunderbar erzählt

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lillywunder Avatar

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Mit diesem Buch habe ich eine ganz wunderbare Erzählkünstlerin kennengelernt. Imbolo Mbue greift wichtige, globale Themen aus verschiedenen Perspektiven auf, lässt das Politische und das Mythische aufeinandertreffen und führt verschiedenste Storylines mit sicherer Hand zu etwas Großem zusammen.

Geboren und aufgewachsen in Kamerun lebt Imbolo Mbue seit ihrem Studium in Amerika. Die Idee zu dieser Geschichte, sagt sie, war schon 17 Jahre lang in ihrem Kopf, bevor daraus ein Roman wurde. "Wie schön wir waren" spielt in Kosawa, einem fiktiven, afrikanischen Dorf, welches in seinem Fortbestehen bedroht ist. Die Auswüchse des Kapitalismus, hier in Form eines amerikanischen Ölkonzerns, zerstören die Umwelt, die Lebensgrundlage, die Gesundheit der Kinder, und das unterstützt von einer korrupten Regierung. Der Roman beginnt mit einem Dorftreffen mit Abgeordneten des Ölkonzerns, von denen es bereits so viele gegeben hat - jedes Mal nur leere Versprechungen. Doch dieses Mal gibt es Widerstand, die Situation eskaliert und ein Kampf um die Zukunft des Dorfes entbrennt.

Im Zentrum des Romans steht die junge Thula, die unerbittlich für Gerechtigkeit kämpft. Eine erzählerische Stärke des Romans ist allerdings, dass nicht nur aus ihrer Perspektive berichtet wird, sondern ebenso aus der Sicht weiterer Familienmitglieder verschiedener Generationen, für die Mbue als Autorin eine fühlbar große Empathie hegt. Etwas repetitiv fand ich bloß an mancher Stelle die Perspektive "der Kinder", die das Geschehen interpretiert und die Handlung vorantreibt.

Auch wenn es auf den ersten Blick so klingt, gibt es hier keine einfach Dichotomie zwischen Gut und Böse, keine einfachen Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung. Und demensprechend auch keine greifbare Lösung für den sich formierenden Widerstand im Dorf, denn wo soll diese liegen, zwischen Flucht, heroischer Selbstaufopferung im Kampf, "Gerettetwerden" durch die Weißen, Befreiungsschlägen, die dennoch wieder in einer Diktatur untergehen. Machtverhältnisse werden zudem sowohl im Großen als auch im Kleinen thematisiert - in der Dorfgemeinschaft, in der Familie, in der Ehe.

Was diesen Roman für mich ganz besonders auszeichnet, ist seine anthropologische Dimension. Die Erzählung ist reich an traditionellen Bräuchen, kulturell geprägten Sichtweisen auf die Welt, die sich von westlichen Interpretationen fundamental unterscheiden und die doch in meiner Wahrnehmung kein bisschen stereotyp oder exotisch anmutend vermittelt werden, sondern die kulturelle Identität der Handelnden anreichern und der Geschichte mehr Tiefe geben. Große Leseempfehlung!