Mitreißender Kampf einer Dorfgemeinschaft um ihr Überleben

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„Ich lausche dem Lachen meiner Freunde und beobachte, wie ein paar junge Männer zum Dorfplatz huschen, um sich dort zusammenzusetzen und abzuhängen und Pilze zu rauchen – der seichte Wind ist perfekt dafür , und ich kann mir keinen schöneren Geburtsort vorstellen als Kosawa.“ Das ist für die junge Thula wahr. Aber auch folgende Gedanken zu ihrem Geburtsort sind für sie wahr: „Erst spätnachts, wenn hoffentlich alle schlafen, wende ich mich meinen eigenen Schmerzen zu. Das sind die Momente, in denen ich weine, mir ausmale, wie anders unser Leben wäre, wenn unsere Vorfahren sich statt dieses irgendein anderes Stück Land ausgesucht hätten. Bilder von meinen toten Freunden besuchen mich in meinen Träumen.“ Tot sind die Freunde, weil ein amerikanisches Erdölunternehmen in der direkten Nachbarschaft des fiktiven afrikanischen Dorfes Kosawa verschiedenste Gifte in die Umwelt leitet, ohne Rücksicht auf Land und Leute. Thula ist eins der Kinder, die in den 1980er Jahren in dem verseuchten Ort aufwachsen (müssen). Sie und ihre Familie haben sich der Rettung ihrer Heimat verschrieben. Auf deren Wegen begleiten wir sie über viele Jahrzehnte hinweg in diesem Buch.

Gekonnt stellt Imbolo Mbue in ihrem zweiten Roman die Heimatverbundenheit und den Zusammenhalt einer dörflichen Gemeinschaft dem Schrecken gegenüber, den ein kapitalistisches Ausbeuter-System in einem post-kolonialen Afrika dieser Gemeinschaft zumutet. Zu Beginn scheinen die Fronten klar. Hier die Guten: die Dorfbewohner. Da die Bösen: Die Mitarbeiter des Ölkonzerns und die Lakaien des despotischen Landesoberhauptes. Die enorme Empathie mit dem Dorf und seinen Bewohnern erzeugt Mbue durch den geschickten Einsatz wechselnder Erzählperspektiven. Dass die Ich-Erzählperspektive zwischen verschiedenen einzelnen Personen eines Plot wechselt ist nicht neu. Was die Autorin jedoch sehr kreativ umsetzt und einwebt ist eine „Wir“-Stimme. Es kommen nämlich nach jedem*r Ich-Erzähler*in „die Kinder“ des Dorfes zu Wort. Und ja, sie sprechen als Kollektiv von sich als „Wir“. So bekommen wir Lesenden das Gefühl tief in die Gemeinschaft einbezogen zu werden und es fühlt sich noch einmal viel schrecklicher an, wenn wieder ein Kind aus unserer Mitte stirbt. Durch den geschickten Einsatz des Perspektivwechsels wird über das gesamte Buch hinweg eine enorme Spannung gehalten. Und langsam verschiebt sich der Eindruck von den Dorfbewohnern als Opfer weg hin zu Handlungen, die sie zu Tätern machen. Somit führt Mbue einen Beweis auf eine originelle Art und Weise, der schon oft geführt wurde, aber trotzdem immer wieder geführt werden sollte: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß sondern auch Grautöne, wenn es um moralische Beurteilungen geht.

Stets habe ich mit den Protagonisten, ihrer Lebensgeschichte und vor allem ihrem Kampf gegen ein Unrechtssystem mitgefiebert. Und eins wird nach dieser prosaischen Verarbeitung des Themas wieder einmal deutlich: der sogenannte „westliche Lebensstil“ geht eindeutig und immer (!) auf Kosten anderer, die weniger Mittel zur Verfügung haben, um sich gegen dieses Unrecht zur Wehr setzen zu können. Somit wird „Wie schön wir waren“ nicht nur zum moralischen Appell sondern auch zum fulminanten, atemlosen Roman über die Aufopferung einer Generation für ihre Gemeinschaft, geschrieben von einer sehr begabten, jungen Autorin, die man definitiv im literarischen Blick behalten sollte. den vorliegenden Roman finde ich gleichmaßen bewegend, aufrüttelnd und überzeugend.